Im Huhn ins Jenseits – Beerdigungsriten in Ghana

Der Sarg in Form eines Huhns. Foto (c): Mathias Brüninghaus, Radio Bremen

Die Reportageauf Radio Bremen, Sonnabend, 24. November 2012, 18.45 bis 19.30 Uhr im dritten Programm

Was haben ein Mercedes Benz, ein Huhn und ein Fisch gemeinsam? Im westafrikanischen Ghana kann man sie als detailgetreu nachgebaute Särge kaufen. Sie begleiten die Toten auf ihrer Reise ins Jenseits. In der Vorstellung der Ghanaer begeben sich die Verstorbenen auf eine Reise zu den Ahnen. Dafür werden aufwändige Bestattungsrituale durchgeführt, die Toten erhalten die Feier ihres Lebens. 

Die Familie der verstorbenen Mercy Awuley berät sich mit den Dorfältesten über den Ablauf der Feierlichkeiten. Foto (c): Mathias Brüninghaus, Radio Bremen

Die 76-jährige Merci Awuley ist gestorben. Während die Tote vier Wochen lang im Kühlfach des Leichenschauhauses liegt, organisieren ihre Angehörigen die aufwändige Abschiedsfeier. Die Kinder von Merci Awuley möchten für ihre Mutter einen ganz besonderen Sarg: ein Huhn. Es symbolisiert ihrer Meinung nach am besten wie die Tote war, eine liebevolle Mutter, die sie wie eine Glucke behütet hat. Der Tischlermeister Daniel Mensa, der sich Hello nennt, erhält den Auftrag.

Die skurrilsten Särge hat Hello bereits angefertigt, ein Passagierschiff, eine Bierflasche, ein Rennauto, ein Chamäleon oder ein Krokodil mit Beute im Maul. Die Modelle sagen etwas über die Persönlichkeit der Toten, ihre Träume und den Beruf aus. Wer schon immer fliegen wollte, es aber zu Lebzeiten nicht geschafft hat, bekommt ein Flugzeug, ein Kioskbudenbesitzer wird in einer Colaflasche beerdigt und ein Fischer findet seine letzte Ruhestätte in einem Fisch.

Seit etwa 50 Jahren werden in Teshi, östlich der Hauptstadt Accra, diese figürlichen Särge hergestellt. Viele Schreiner haben sich auf den Bau von solchen Särgen spezialisiert, das Geschäft mit dem Tod blüht.

Beerdigungen haben in Ghana einen hohen religiösen und sozialen Stellenwert. Dabei ist das Fest nicht nur so pompös, um den Ahnen gerecht zu werden, ein extravaganter Sarg und eine kostspielige Feier verleihen den Hinterbliebenen auch Prestige im Diesseits. Viele Familien verschulden sich dabei so immens, dass die Regierung bereits vor fünf Jahren versucht hat, diese kostspieligen Beerdigungen zu verbieten – jedoch ohne Erfolg.

„Ich glaube daran“, sagt der Tischlermeister Hello, „dass wir alle, die vor uns gestorben sind, eines Tages im Jenseits wieder sehen werden. Und jeder geht mit seinem Sarg hinüber. Darum wird das, wo sie dich hineinlegen, auch das sein, womit du da drüben ankommst.“ Als das Huhn fertig ist und alle Vorbereitungen für die Beerdigung getätigt sind, kann Merci Awuley endlich aus dem Leichenschauhaus abgeholt und mit viel Musik, Tanz, Essen, Trinken und Trauer ein ganzes Wochenende lang geehrt werden. Verwandte, Freunde und Nachbarn strömen herbei, um sich von ihr zu verabschieden. Dann tritt sie ihre letzte Reise an: „Im Huhn ins Jenseits!“

Beerdigungsrituale in Ghana sind spirituell, ein buntes, pompöses Fest – und kostspielig. Der Film von Katrin Hensel-Ovenden entdeckt in dem westafrikanischen Land einen facettenreichen und sehr offenen Umgang mit dem Thema Tod (Kamera und Fotos: Mathias Brüninghaus, Ton: Ruth Ree-Georgi, Schnitt: Birgit Hemmerling).

Erstausstrahlung am 24. April 2008 bei Arte.   

Wie gehen wir mit dem Sterben und dem Tod um? Dieser Frage widmet sich die ARD vom 17. bis 23. November 2012 bundesweit im Fernsehen, im Radio und im Internet. Unter dem Motto „Leben mit dem Tod“ soll die ARD-Themenwoche 2012 helfen, Sprachlosigkeit im Angesicht von Tod und Trauer zu überwinden und dem Verdrängen entgegenzuwirken.

Mehr Informationen zur Themenwoche unter:

http://www.ard.de/ard-themenwoche-2012

2 Kommentare zu „Im Huhn ins Jenseits – Beerdigungsriten in Ghana

  1. Bestattungsrituale, die in manchen Ländern als befremdlich empfunden werden, sind in wiederum anderen Kulturen die beste Form, einem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Dass in Ghana derart spezielle Särge mit symbolischem Charakter angefertigt werden, finde ich in gewisser Weise nachvollziehbar. Es regt auch dazu an, sich mit der Frage zu befassen, welche Art der Bestattung man selbst eines Tages haben möchte.

  2. Meine Schwester, die ein Jahr in Ghana gelebt hat, hat mir bestätigt, welch einen großen Einfluss die Religion auf die dortigen Bestattungsrituale hat. Die Vorstellung, fest davon überzeugt zu sein, einen verstorbenen geliebten Menschen im Jenseits wieder zu treffen, finden wir sehr schön. In dieser Hinsicht ist es verständlich, dass die Menschen in Ghana neben der Trauer während einer Bestattung auch Hoffnung und Freude auf das Leben nach dem Tod verspüren.

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