Bismarck: Heldenverehrung ist passé

Jever feiert den 200. Geburtstag des „Eisernen Kanzlers“
 
Von Helmut Burlager
Es war im Jahre 1908. Der Todestag des „Eisernen Kanzlers“ Fürst Otto von Bismarck jährte sich zum zehnten Mal, die Heldenverehrung war auf dem Höhepunkt, in ganz Deutschland wurden Bismarck-Denkmäler und Bismarck-Türme errichtet. Da wollte man auch in Jever nicht zurückstehen und begann, Geld für eine Bismarckwarte zu sammeln. Der monumentale Turm sollte am Ortseingang errichtet werden, gegenüber des heutigen Famila-Marktes.
Der Präses der Getreuen von Jever, Ingo Hashagen, und der Besitzer des Bismarck-Museums in Jever, Dr. Fritz Blume, vor einer Sammlung von Bildern und Modellen der Bismarckwarte, die vor 100 Jahren in Jever errichtet werden sollte. Foto: Helmut Burlager
Der Präses der Getreuen von Jever, Ingo Hashagen, und der Besitzer des Bismarck-Museums in Jever, Dr. Fritz Blume, vor einer Sammlung von Bildern und Modellen der Bismarckwarte, die vor 100 Jahren am Ortseingang von Jever errichtet werden sollte. Foto: Helmut Burlager

Es kam viel Geld zusammen, die Euphorie war groß, Bauteile wurden in Auftrag gegeben, zum hundertsten Geburtstag des Kanzlers  am 1. April 1915 sollte das Denkmal eingeweiht werden.  Es kam nicht mehr dazu, der Weltkrieg tobte, die Menschen hatten andere Sorgen.

Zum 200. Geburtstag des Fürsten von Bismarck, der in diesem Jahr ansteht, gibt es eine solche Bismarck-Begeisterung nicht mehr. Aber für den Stammtisch der Getreuen von Jever, der seit mehr als 140 Jahren die Bismarck-Tradition pflegt, wird 2015 doch ein besonderes Jahr. In mehreren Veranstaltungen soll an den Reichsgründer erinnert werden, der eine besondere Beziehung zur Marienstadt hatte. Er besaß hier in den Getreuen einen regelrechten Fanclub.
Einen Kiebitzpokal  (hier eine Nachbildung) schenkte Otto von Bismarck seinen treuen Anhängern in Jever. Alljährlich macht er, mit edlem Wein gefüllt, beim Bismarck-Kommers am 1. April bei den "Getreuen" die Runde. Foto: Helmut Burlager
Einen Kiebitzpokal (hier eine Nachbildung) schenkte Otto von Bismarck seinen treuen Anhängern in Jever. Alljährlich macht er, mit edlem Wein gefüllt, beim Bismarck-Kommers am 1. April bei den „Getreuen“ die Runde. Foto: Helmut Burlager

Das Schlossmuseum plant in Zusammenarbeit mit dem Altertums- und Heimatverein und den Getreuen am Donnerstag, 19. März 2015, einen Vortrag von Dr. Andreas von Seggern über „Bismarck und Oldenburg – Facetten einer spannungsreichen Beziehung“. Dazu ist auch eine kleine Ausstellung geplant.

Zum Getreuen-Kommers am 1. April wird ein renommierter Historiker erwartet. Dr. Harald Lönnecker hat sich intensiv mit dem Bismarck-Kult in der deutschen Studentenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts befasst.

Die diesjährige Fahrt des Stammtisches wird in die Altmark gehen, unter anderem an den Geburtsort Bismarcks, Schönhausen, und in verschiedene Museen.

Ein solches Museum betreibt der langjährige Präses der Getreuen Dr. Fritz Blume seit 2003 in Jever. Der frühere Zeitungsverleger und Chefredakteur hatte eine Sammlung, die seit den 90er Jahren in Ponitz an der Elbe entstanden war, 2002 erworben und in das eigens dafür erworbene Haus in der Wangerstraße verlegt. Anfangs mit festen Öffnungszeiten versehen, wird das Bismarck-Museum heute Gruppen und interessierten Besuchern nach Absprache aufgeschlossen. „Das ist weniger ein Haus für das breite Publikum, da gehen Geschichtsinteressierte rein“, sagt Ingo Hashagen, der heutige Präses der Getreuen.
"Bismarck wird von uns als Mann in seiner Zeit gesehen", sagen die Getreuen. Von Hurra-Patriotismus sind sie heute weit entfernt. Bismarck-Büste im Bismarck-Museum in Jever. Foto: Helmut Burlager
„Bismarck wird von uns als Mann in seiner Zeit gesehen“, sagen die Getreuen. Von Hurra-Patriotismus sind sie heute weit entfernt. Büste im Bismarck-Museum in Jever. Foto: Helmut Burlager
Und überhaupt: Auch wenn 2015 wieder viel von Otto von Bismarck die Rede sein wird – die Bismarck-Forschung ist eher was für Spezialisten.
Die Getreuen jedenfalls pflegen die Erinnerung weiter. Allerdings geht es bei den monatlichen Treffen an jedem ersten Dienstag im „Haus der Getreuen“ durchaus nicht nur um Bismarck. „Wir waren ja immer ein Stammtisch“, sagt Präses Ingo Hashagen. „Wir sind auch keine Hurra-Bismarck-Anhänger. Er wird von uns als Mann in seiner Zeit gesehen, mit seinen Stärken und Schwächen.“
So denkt in Jever, anders als in Wilhelmshaven, auch niemand mehr ernsthaft darüber nach, ein Bismarck-Denkmal aufzustellen. Das hat sich vor genau hundert Jahren erledigt.

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