Rückbesinnung auf Ursprungsidee der Armutsbekämpfung ist nötig

Mikrofinanz: Niclaus Bergmann von der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation sprach bei Tagung von Opportunity International

Von Helmut Burlager

OID3 Köln, 18. Juni 2011 – Der Geschäftsführer der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation mit Sitz in Bonn, Niclaus Bergmann, sieht die Entwicklungshilfe durch Mikrofinanz weltweit in einer „Identitätskrise“, hält sie aber keineswegs für gescheitert. Im Gegenteil: Aus einer Phase der Selbstfindung könnten die Institutionen, die sich mit Mikrofinanzierung beschäftigten, gestärkt hervorgehen.

Es sei nicht die erste Krise, die die Mikrofinanz zu überstehen hatte. Wichtig sei eine Rückbesinnung auf die Ursprungsidee der Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern, sagte Bergmann (Foto) auf einer Tagung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Stiftung „Opportunity International Deutschland“ am Wochenende in Köln.

Mikrofinanz als Thema in der Entwicklungszusammenarbeit sei erst in den letzten zehn Jahren sehr populär geworden, vor allem seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Begründer der Grameen-Bank in Bangladesch, Muhammad Yunus, sagte Bergmann. Dabei sei das Instrument schon sehr viel älter und habe sich nicht erst im Entwicklungszusammenhang bewährt. Im Grunde sei die Gründung der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in früheren Jahrhunderten nichts anderes gewesen: ein Instrument der Armutsbekämpfung durch Einsammeln kleiner Sparbeträge und Vergabe von Darlehen an die einfachen Leute.

“Es ist fast unmöglich, sich ein einheitliches Urteil über Mikrofinanz zu bilden”

Aktuell wird in den Medien und in der Fachwelt recht heftig über Sinn und Wirksamkeit der Mikrofinanzierung gestritten. „Es ist fast unmöglich, sich ein einheitliches Urteil über Mikrofinanz zu bilden“, so Bergmann. So wie das Thema nach dem Nobelpreis für Yunus „hochgepusht“ worden sei, so werde es jetzt teilweise „runtergeschrieben“, sagte der Stiftungsmanager.

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Niclaus Bergmann bei der Tagung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern von Opportunity International Deutschland mit Vorstand Stefan Knüppel (links) und dem Stiftungsratsvorsitzenden Nils Ritterhoff (rechts). Fotos: H. Burlager

Es gebe aktuell in einigen Ländern wirkliche Probleme. Das habe seinen Grund teilweise in der Überbewertung der Möglichkeiten von Mikrofinanz, die so nicht hätten erfüllt werden können, zum anderen im extrem schnellen Wachstum der Mikrofinanzbranche, was zu neuen Risiken wie zu organisatorischen Problemen geführt habe. Und schließlich stelle die Ausdehnung der Mikrofinanz in manchen Regionen für die Staaten mittlerweile ein systemisches Risiko dar, das eine Reglementierung dieses Sektors unabdingbar mache.

In die Schlagzeilen gekommen ist Mikrofinanz zum einen durch die Abberufung von Muhammad Yunus als Chef der Grameen-Bank, die ihren Grund nach Ansicht Bergmanns aber in politischen Ränkespielen im Heimatland von Yunus, Bangladesch, habe und nicht in der Institution selbst. Zum anderen habe eine Selbstmordwelle unter Kreditnehmerinnen im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh, die Bergmann „ganz tragisch“ nannte, dem Ruf der Mikrokredite geschadet. Wobei man wissen müsse, dass es für Indien nicht so ungewöhnlich sei, dass sich im Falle von Verschuldung ein Familienmitglied durch Suizid für den Familienclan opfere. Dies habe eine traurige Tradition. Jedenfalls hätten die Vorgänge in Andhra Pradesh die Politik dort zu einer Reglementierung des Mikrofinanzsektors bewogen, die die ganze Branche abzuwürgen drohe. Die Mikrofinanzinstitute dort kämpften ums Überleben, und da Indien der größte Markt für Mikrokredite sei, habe dies gravierende Folgen für das ganze Mikrofinanzwesen.

“Die Armen müssen sparen”

Für Niclaus Bergmann ergeben sich aus der von ihm so bezeichneten „Identitätskrise“ der Mikrofinanz Konsequenzen für die Zukunft einer Branche, die ohnehin im Umbruch sei. Die klare Fokussierung auf das Thema Kredite habe sich in den vergangenen Jahren geändert. Heute würden vermehrt auch andere Finanzdienstleistungen für die ärmere Bevölkerung in den Entwicklungsländern angeboten, die genauso wichtig seien. „Die Armen müssen sparen“, sagte Bergmann. Sonst hätten sie keine Möglichkeit, in schwierigeren Zeiten über Engpässe hinwegzukommen. Nicht weniger bedeutsam sei der Zugang zu Zahlungsverkehr, was zum Beispiel den Transfer von Geld, das Familienangehörige im Ausland oder in den Städten verdienten, auf die Dörfer möglich mache. Ein weitere Aspekt sei die Absicherung gegen Lebensrisiken durch einfache Versicherungen.

Eine andere bereits laufende Entwicklung sei die Professionalisierung der Branche: Mikrofinanzinstitute – auch solche mit sozialem Auftrag – müssten profitabel arbeiten, um nicht auf Dauer von Spenden abhängig zu sein. Das könne zu Interessenkonflikten führen und zu Schwierigkeiten in der Abgrenzung. Doch Bergmann hält ein Nebeneinander von finanzieller Rendite und sozialer Rendite („Sie sind zwei Seiten einer Medaille“) ebenso für notwendig wie ein Nebeneinander von renditeorientierten Investoren und sozialen, entwicklungsorientierten Spendern. Es gebe nicht nur Schwarz und Weiß.

Die eher sozial orientierten Mikrofinanzinstitutionen sollten sich, so der Geschäftsführer der Sparkassenstiftung, untereinander keine Konkurrenz machen, sondern sich über Einsatzgebiete möglichst absprechen und weltweit Netzwerke gründen.

“Mikrofinanz ist kein Allheilmittel, aber – richtig eingesetzt – eines der wichtigsten Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit”

Indien wie auch einige andere aktuelle Problemfälle würden hoffentlich zeigen, dass Mikrofinanz durch Krisen hindurchgehen kann. Wichtig sei, dass sich die öffentliche Wahrnehmung der Krise relativiere. Die Wirkungsmöglichkeiten von Mikrofinanz sollten wieder realistischer eingeschätzt und dargestellt werden, auch in den Medien.

„Mikrofinanz“, so Bergmann, „ist kein Allheilmittel, aber – richtig eingesetzt – eines der wichtigsten Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit.“

Ein Kommentar zu „Rückbesinnung auf Ursprungsidee der Armutsbekämpfung ist nötig

  1. Ihr glaubt doch nicht, das Banken sich so ohne weiteres das Heft aus der Hand nehmen lassen, in dem sie die Microfinanz so weiter machen lassen, wie sie ursprünglich gedacht ist.Da sind doch ein paar Dollar zu holen und die sind doch so abgewichst, dass sie nur sich selbst diese Gewinne gönnen,egal was mit den Kreditnehmern passiert.
    Globalisierung ? ——-nein danke!!!!!

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