Die Chance auf ein Leben aus eigener Kraft

MIKROKREDITE: Kleine Beträge helfen in den Ländern der Dritten Welt oft mehr als teure Entwicklungshilfeprogramme

Freundeskreis Weser-Ems besuchte die Voltaregion in Ghana

Nachdem der Reisebericht über unseren Besuch in Ghana im Frühjahr 2010 so oft geklickt worden ist, soll den vielen Interessierten auch der Beitrag über unsere erste Reise in die Voltaregion im März 2008 nicht vorenthalten werden. Er ist nicht ganz aktuell, aber sicher genauso interessant.

VON HELMUT BURLAGER

HO/GHANA – Im Winter ist Richard Letcha arbeitslos. Winter gibt es im ständig heißen westafrikanischen Ghana zwar nicht, aber die Monate November und Dezember sind für den Korbflechter genauso deprimierend wie für einen Tiefbauarbeiter in Friesland, denn es gibt nichts zu tun.

_DSC2594 Die Fischer fangen in dieser trockenen Jahreszeit kaum, und deshalb brauchen sie keine Fischkörbe. Zwar könnte Letcha in dieser Zeit Reusen auf Vorrat produzieren, dann hätte er es im Frühjahr leichter. Aber dazu müsste er sich das Material, geschnittene Palmzweige, kaufen können. Dafür hat er jedoch kein Geld, weil die Einnahmen fehlen.

Eigentlich müsste er einen Kredit nehmen, aber der ist bei den Wucherern zu teuer, von seinem Gewinn bliebe nichts übrig. Dem Mann ist geholfen worden, mit Geld aus Weser-Ems. Richard Letcha ist einer von 78 Einwohnern des Fischerdorfes Abotoase am Voltafluss, die einen Kleinkredit von der Organisation Opportunity International erhalten haben. 300 Cedis gaben die „Loan Officer“ der Sinapi Aba Trust (der „Senfkorn-Stiftung“) aus der zwei
Stunden entfernten Provinzhauptstadt Ho dem Korbflechter. Er bekam sie, nachdem er sechs Wochen lang an Schulungen teilgenommen hatte,
die seine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse verbesserten und in denen er viel über den sinnvollen Umgang mit Geld und nachhaltiges Wirtschaften erfuhr.

Mit ihm saßen Dutzende anderer Einwohner von Abotoase, in der Mehrzahl Frauen, in der Dorfkirche und lernten gemeinsam, bereiteten die Gründung sogenannter Trust Banks vor, kleiner Genossenschaften, in denen jeweils zehn bis zwölf Kreditnehmer gegenseitig füreinander bürgen. Dann wurde ihnen feierlich das Geld übergeben. 300 Cedis entsprechen rund 200 Euro. Die müssen in sechs Monaten, ratenweise alle zwei Wochen, mit Zinsen zurückgezahlt werden. Klappt es mit der Rückzahlung, gibt es anschließend einen neuen Kredit, diesmal auch mehr. So können die Existenzgründer ihre Geschäftstätigkeit nach und nach ausbauen.
Lydia Abavito ist so eine Unternehmerin, die ganz am Anfang steht. 38 Jahre alt ist sie, sie kauft den Fischern kleine Sardinen ab, brät sie knusprig und verkauft sie in Nachbarorten. Fünf Jahre sei sie schon im Geschäft, erzählt sie, habe zehn Mitarbeiter, der Kredit von 300 Cedis soll helfen, die Küche auszubauen. Später zeigt sie die „Küche“, ein Holzkohlefeuer mit einer Emailleschüssel im
lehmigen Innenhof eines Hütten-Karrees. Auch die „Mitarbeiter“ finden sich ein und umringen die Chefin, es sind ihre Kinder – das jüngste hat gerade laufen gelernt.
Wir lernen viele Frauen kennen. Einige räuchern Fisch, andere betreiben kleine Garküchen, weitere verkaufen das Grundnahrungsmittel Yam, eine kartoffelähnlich schmeckende Wurzel, Frauen handeln mit Obst, eröffnen kleine
Textilläden oder Geschäfte mit Haushaltsprodukten. Es sind auch erfolgreiche männliche Unternehmer dabei wie der Bootsbauer Ebenezer Jevugah, dem der Erstkredit von 250 Cedis nicht wirklich weiterhilft, aber er will sich bewähren und hofft auf größere, individuelle Darlehen, um in ruhigeren Zeiten schnittige Fischerboote auf Vorrat bauen zu können, damit er während der Hauptsaison
keinen Kunden wegschicken muss.

_DSC2646 In drei Tagen baut er so ein Holzboot, ein tüchtiger Mann, der mit seinem Geschäft seine Frau und vier Kinder ernähren kann. Aber er möchte expandieren, noch mehr als seine zwei Mitarbeiter beschäftigen. Auch hier hilft Opportunity, eine Hilfsorganisation mit christlichem Hintergrund.

Geholfen wird in dem Land, in dem die meisten Menschen sehr religiös sind und den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen anhängen, jedem, der ein überzeugendes Geschäftskonzept vorlegen kann. Die Religionszugehörigkeit spielt keine Rolle. Gleichwohl tragen die kleinen „Trust Banks“ vielfach christliche Bezeichnungen wie „Mauuenamie“ (Gott gibt mir), „Biamawu“ (Frage Gott) oder „Grace Spirit“ (Gnädiger Geist). Menschen, die Peace (Frieden) heißen oder Ebenezer (Stein der Hilfe Gottes), rufen sich mit „Brother“ und „Sister“ und
grüßen auch die fremden Weißen so, wenn sie sie nicht gar „Father“ oder „Mama“ rufen oder „My Friend“. Und jeden segnen sie: „God bless you.“ Die Reisegruppe aus Jever, die sich in den abgelegenen Dörfern in der Baumsavanne im Osten Ghanas über die Hilfsprojekte informiert, erlebt so viel Herzlichkeit, Fröhlichkeit und Dankbarkeit, dass es sie fast beschämt.
Jeder Kreditnehmer, der davon erzählt, was er mit den paar hundert Euro gemacht hat, die er sich bei der Trust Bank leihen konnte, gibt auch einen Eindruck davon, wie schnell sich die wirtschaftliche und soziale Lage einer Familie verbessern kann, wenn sie in die Lage versetzt wird, sich selbst zu helfen und ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.
_DSC2483 Im Oktober 2007 hat Opportunity International die einmillionste Kreditnehmerin begrüßt, Clementine Zuabakiriho aus Ruanda. „Aber es gibt noch Millionen Frauen, die darauf warten, mit Hilfe eines Kleinkredits eine neue Perspektive für sich und ihre Familie zu schaffen“, sagt Stefan Knüppel, Vorstand von Opportunity International Deutschland, der die Delegation begleitet und zugleich inspiziert, wie die Partnerorganisation Sinapi Aba Trust in Ghana mit den Spendengeldern umgeht.
Was er sieht und was die Jeveraner sehen, ist ermutigend. 100000 Euro will der Freundeskreis Weser-Ems in diesem Jahr einsammeln. „Und danach“, sagen Jochen Ewald, Dr. Karl Harms und Rüdiger Möllenberg, die Initiatoren aus Jever,
„legen wir erst richtig los.“

SPENDEN
an Opportunity International:
Volksbank Jever (BLZ
282 62254), Konto
11 80 03 90 09, Kennwort
„Ghana Weser-Ems“.

OPPORTUNITY INTERNATIONAL ist Deutschlands größte gemeinnützige
Stiftung für Mikrofinanzierung. Sie ist Teil eines weltweiten christlichen
Netzwerkes, das eine Million Kreditnehmer in 29 Ländern unterstützt. Das in den Geber-Ländern gesammelte Geld fließt direkt an die Kreditnehmerinnen.
Diese schließen sich in Kleingruppen (Trust Banks) zusammen, die dann in
wir tschaftlichen, aber auch in anderen lebenswichtigen Bereichen wie Gesundheit und Bildung geschult werden.
Der FREUNDESKREIS WESER-EMS wurde im September 2007 gegründet, er will 100 000 Euro sammeln, um in den drei Kleinstädten Dzemeni, Abotoase und Mafi-Kumasi in der Voltaregion in Ghana rund 800 Frauen (und vereinzelt Männern) Kleinkredite anbieten zu können.

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