Der Maienbaum und seine Regeln

Ein heute wunderbar antiquiert wirkender Text, der vor mehr als 50 Jahren in einer ostfriesischen Zeitung erschien. Er beschreibt die bis heute gültigen Regeln für das Maibaumklauen:

Der Maienbaum und seine Regeln

Nur ein nicht bewachter darf geraubt werden

Ostfriesland. Am Vorabend des 1. Mai versammelt sich im ostfriesischen Land die Jugend, um mit Spiel und Tanz den prächtig geschmückten Maibaum aufzurichten. Im Mittelpunkt des Ortes steht er dann den ganzen Monat Mai über und läßt die bunten Bänder seiner Krone im Winde flattern.

Viele Bräuche reihen sich um ihn. Dazu gehört auch, daß man versucht, den Maibaum der Nachbargemeinde in der ersten Nacht zu rauben. Aber für den “Raub” bestehen Regeln, und diese müssen genau beachtet werden, damit der schöne Brauch nicht mißbraucht wird.

Der Maibaum kann zwischen Sonnenuntergang am 30. April und Sonnenaufgang am 1. Mai geraubt werden.

Nur eine Gemeinschaft, die selber einen Maibaum gesetzt hat, darf auch einen rauben.

Nach dem dritten Spatenstich gilt der Baum als geraubt. Es geht aber nicht, daß plötzlich ein Motorradfahrer ankommt, die drei Spatenstiche macht und dann erst seine Helfer herbeiholt. Wer den Baum geraubt hat, muß ihn bis zum Abtransport bewachen.

Nur ein nicht bewachter Baum kann geraubt werden. Ein Baum, an den einer der Bewacher nur die Hand hält, kann nicht geraubt werden; Gewalt darf nicht angewandt werden.

Wenn es der Jugend eines Ortes gelungen ist, den Maibaum einer Nachbargemeinde zu rauben, dann sollten die Unterlegenen das neidlos anerkennen. Die Sieger bringen den geraubten Baum in festlichem Zuge wieder zurück, und ein sich dann sicher die siegreiche Nachbargemeinde bewirten. Eine hohe “Rückkaufsumme” ist hier fehl am Platz.

Der Beitrag erschien am 30. April 1959 im General-Anzeiger in Westrhauderfehn

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