„Anzeiger für Harlingerland“ feiert dieses Jahr 150-jähriges Bestehen
Von Detlef Kiesé
Wittmund, im April 2012 – Ob König Wilhelm I. 1869 das Harlingerland besuchte oder die Kreiskrankenhäuser in Wittmund und Esens eröffneten, ob die Menschen im Harlingerland ihre Volksfeste feierten oder neue Gemeinderäte wählten – der „Anzeiger für Harlingerland“ war immer dabei.

Die Lokalzeitung hat sich in ihrer 150-jährigen Geschichte durch ausführliche Lokalberichterstattung eine starke Leser-Blatt-Bindung erarbeitet. Im Landkreis Wittmund erreicht der „Harlinger“ heute nahezu jeden Haushalt, auch in den angrenzenden Städten und Gemeinden wird die Zeitung gerne gelesen.
Christian Ludolph Mettcker hatte im 19. Jahrhundert den „richtigen Riecher“. Der jeversche Verleger hatte bereits Erfolg mit dem „Jeverschen Wochenblatt“, gegründet 1791. Er konnte seine Söhne Johann Ludolph und Andreas Wilhelm Mettcker ermutigen, auch in Wittmund eine Zeitung zu etablieren, die aus dem gesamten Harlingerland und dem Friedeburgischen, dem Gebiet des späteren Landkreises Wittmund, berichten sollte.
Zusammen mit dem Wittmunder Kaufmann Jakob Christian Ajold Bergner gelang es, nach zwei Probenummern am 1. April 1862 – also vor 150 Jahren – die erste reguläre Ausgabe des „Anzeiger für Harlingerland“ herauszugeben. Hier war von der „gedeihlichen Entwicklung der landwirtschaftlichen Lehranstalt“ in Esens und einem Silberfund im Moor bei Strackholt zu lesen. Zunächst erschien die Zeitung nur montags und freitags, sie bot Nachrichten und Anzeigen auf sechs kleinen Seiten. Bergner, der in der Brückstraße im Haus der Schlachterei Stigler neben einer Buchhandlung auch ein Kolonial-, Glas- und Farbwarengeschäft betrieb, wurde Schriftleiter und unterhielt in seinem Haus die Redaktion. Gedruckt wurde die Zeitung in der Buchdruckerei C. L. Mettcker in Jever.
In den Folgejahren tat sich viel in dem alteingesessenen Verlagshaus. Der „Harlinger“ kam in der Bevölkerung an, die Auflage und der Umfang stiegen. Immer mehr Geschäftsleute wollten in der Zeitung inserieren, die ab 1869 den preußischen Adler im Titelkopf führte. Von Jahresbeginn 1866 an erschien die Zeitung dreimal in der Woche, gedruckt wurde ein Teil in dem stattlichen Esenser Patrizierhaus, das der Verlag C. L. Mettcker & Söhne 1864 am Marktplatz erworben hatte. Ein vergrößertes Seitenformat wurde mit neuer Drucktechnik 1892 eingeführt. Als Herausgeber Bergner 1864 starb, wurde Schwiegersohn Johannes Oeltjen sein Nachfolger. Nach dessen frühen Tod übernahm seine Frau Eva Oltjen 1866 für ein Jahrzehnt Verlag und Redaktion. Sie lernte den Theologen und Wittmunder Rektor Carl Wilhelm Hartmann kennen, der nach der Heirat seinen Beruf aufgab, um sich als Zeitungsverleger und Redakteur neuen Aufgaben zu widmen.
Mit Bildung des Landkreises Wittmund im Jahr 1885 wurde die Zeitung „Amtliches Kreisblatt“. Nach Hartmanns Tod übernahm dessen Sohn Heinrich 1909 die Geschäfte. Der „Harlinger“ erschien nun täglich, der Lokalteil wurde ausgebaut.
Während des Ersten Weltkriegs stieg die Auflage mit 2000 Exemplaren so stark an, dass größere Druckmaschinen angeschafft werden mussten. Das Seitenformat vergrößerte sich dadurch abermals. Auf ausdrücklichen Wunsch von Landrat Dr. Ernst Budde wurde die Gesamtauflage in Wittmund gedruckt. Der Verlag C. L. Mettcker & Söhne baute 1918 erstmals ein Vertriebsnetz mit eigenen Boten auf. Im Zuge der November-Revolution verlor der „Harlinger“ 1918 seinen Titel „Amtliches Kreisblatt“. Ein neues Kapitel in der Firmengeschichte wurde 1919 aufgeschlagen, als Verlag und Schriftleitung voneinander getrennt wurden. Die Verlagsleitung und die Anzeigenannahme blieben bei Heinrich Hartmann, die Redaktion wurde dem Berliner Richard Kleinadel übertragen.
Ab 1920 war auch im „Anzeiger für Harlingerland“ der Einfluss der nationalsozialistischen Regierung deutlich zu spüren. Die die Berichterstattung veränderte sich auf sehr negative Weise. In Esens bot sich dem Verlag C. L. Mettcker & Söhne 1933 die Gelegenheit, die von Johannes Biermann gegründete und von Max Straube hergestellte Zeitung „Harlinger Blatt“ mit 200 Abonnenten zu übernehmen.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Zeitung von den alliierten Siegermächten zunächst verboten. Erst im Herbst 1949, die Pressefreiheit war nun gesetzlich garantiert, erschien die Zeitung wieder regelmäßig. So erhielt der „Anzeiger für Harlingerland“ zugleich ein zeitgemäßes Schriftbild, den Titelkopf zierten fortan die Wappen der alten Ämter Esens, Wittmund und Friedeburg. Der Verlag gab nun außerdem den jährlichen „Harlinger Heimatkalender“ heraus.
Das Werk ihres verstorbenen Mannes Enno setzte Maria Mettcker, die letzte in der Dynastie der Mettcker-Verleger, nach dem Krieg fort. Für die Finanzverwaltung der Erbengemeinschaft Mettcker gewann die Jeveranerin den aus der Mark Brandenburg stammenden engagierten Zeitungsverleger Dr. jur. Fritz Blume sen. In der „Harlinger“-Redaktion wirkte Karl Engelkes, Diedrich Janssen in Wittmund und Enno Söker in Esens kümmerten sich um den Anzeigenteil. Mit dem ehemaligen Hotel „Deutsches Haus“ am Wittmunder Marktplatz fand sich 1956 ein neues Domizil, das 1971 erweitert wurde. Eine neue Geschäftsstelle richtete der expandierende Verlag 1957 in Wiesmoor ein, indem er die Druckerei Wilhelm Niehus übernahm. Die ersten Schwarzweißfotos für den „Harlinger“ lieferten die Fotografen Mathias Theis (Wittmund) und Hans Backenköhler (Esens). Nach dem Tod von Maria Mettcker im Jahr 1968 erbte ihr Enkel, der Land- und Forstwirt sowie Schriftsetzermeister Hajo Allmers, den Verlag.
Die Aufwärtsentwicklung setzte sich fort: 1973 verkaufte der Verlag 10000 Exemplare seiner Heimatzeitung. Aktuelle Nachrichten liefen fortan per Fernschreiber in der Redaktion ein. 1978 war die Zeit des Bleisatzes und der Bleidrucktechnik vorbei, die Technik wurde auf Fotosatz umgestellt. Zugleich gewann der Computer an Bedeutung für die Produktion. Eine eigene Lokal-Sportredaktion richtete der „Anzeiger für Harlingerland“ 1982 ein. Blumes Sohn, Dr. Fritz Blume jun., wirkte von 1983 bis 1985 als „Harlinger“-Chefredakteur. 1987 erschien die erste Ausgabe der bis heute existierenden Wochenzeitung „Nordlicht“.
Unter der Federführung von Hajo Allmers und seiner Ehefrau Elisabeth Allmers erlebte der „Anzeiger für Harlingerland“ eine rasante Weiterentwicklung, die 1995 zu einer täglichen Auflage von fast 15000 Exemplaren führte. War die Zeitung in seiner ganzen bisherigen Geschichte eine Mittagszeitung gewesen, so lag sie ab 1. Januar 1989 bereits zum Frühstück bei den Lesern auf dem Tisch. Voraussetzung war eine umfangreiche technische Umstellung, denn die Lokalzeitung wurde fortan in der Nacht gedruckt. Das Druckzentrum in Jever mit der Buchdruckmaschine wurde aufgegeben. Es wurde ein langjähriger Druckvertrag mit der Brune-Druck- und Verlags-GmbH abgeschlossen und von diesem Zeitpunkt an wurde die Zeitung im modernen Offsetdruck in Wilhelmshaven hergestellt.
Um die lokale Stärke noch weiter herauszustellen, veränderten Verlag und Redaktion das Konzept. Ab dem 24. Mai 1991 fanden die Leserinnen und Leser schon auf Titelseite die wichtigsten lokalen Nachrichten. Dies war am 24. Mai 1991 erstmals der Fall. Der überregionale Teil – vom Kooperationspartner Nordwest-Zeitung aus Oldenburg zugeliefert – befindet sich seither hinter dem lokalen Teil der Zeitung.
Im gleichen Jahr ließen Elisabeth und Hajo Allmers das Verlagshaus in Wittmund komplett umbauen, nachdem modernste Computertechnik die Fotosatzgeräte und die Schreibgeräte der Redakteure ersetzt hatte. Die gesamte Verlags-Belegschaft umfasste 191 Beschäftigte in Wittmund, Jever, Esens und Wiesmoor. Hinzu kamen mehr als 180 Zeitungsboten. Als Verlagsleiter kümmerte sich Harold Grönke und ab 1997 Allmers’ Schwiegersohn Helmut Loerts-Sabin um das tägliche Geschäft.
Die gesamte Zeitungs-Druckvorstufe für den „Anzeiger für Harlingerland“, das „Jeversche Wochenblatt“ und das „Nordlicht“ wurde ab 1995 im Gebäude „Freesenpark“ in Wittmund konzentriert. Der Verlag richtete vor der Jahrtausendwende sein Geschäftsfeld weiter in Richtung neue Medien aus. Ihr historisches „Anzeiger“-Haus am Esenser Marktplatz ließen Elisabeth und Hajo Allmers in den Jahren 1998/99 grundlegend sanieren.
Angesichts der fortschreitenden Konzentration im Pressewesen fusionierten 1999 die Unternehmen C. L. Mettcker & Söhne Jever/Wittmund und der Brune Druck- und Verlags-GmbH in Wilhelmshaven. Die Häuser der Familie Allmers und des Diplom-Volkswirts Manfred Adrian hatten schon seit 1989 zusammengearbeitet und nahmen 2002 ein gemeinsames Druckzentrum in Fedderwardergroden in Betrieb.
Immer wieder investierte der Brune-Mettcker-Verlag in die Modernisierung der Tageszeitungen und konnte so die Qualität stetig steigern. Seit 2008 kann der „Harlinger“ auch online gelesen werden. Der tägliche „Anzeiger für Harlingerland“ in gedruckter Form gehört jedoch in der Region nach wie vor zu einem guten Frühstück dazu.