Tage der deutschen Einheit

Von Helmut Burlager

Wissen Sie noch, was Sie am 11. April 1986 gemacht haben? Ich wüsste es auch nicht, hätte ich nicht vor einigen Monaten aus einer Laune heraus bei einem Besuch in der Birthler-Behörde in Berlin einen Antrag auf Zugang zu den personenbezogenen Stasi-Unterlagen gestellt.

Nicht dass ich ernsthaft geglaubt hätte, die Stasi hätte sich für mich, einen harmlosen Lokaljournalisten aus Jever, interessiert. Aber wer den Film „Das Leben der anderen“ gesehen hat oder „Die Frau vom Checkpoint Charlie“, wer zu Mauerzeiten öfter in Berlin zu Besuch war oder Leute „drüben“ kannte, den beschleicht eine Ahnung davon, wie engmaschig das Netz der Staatssicherheit gewesen ist und dass selbst kleine Fische darin hängen blieben.

In spitzer, akkurater Handschrift hat ein Stasi-Mitarbeiter auf eine Karteikarte mit meinem Namen, meinem Geburtsdatum, meiner Adresse, meinem Beruf und dem Arbeitgeber sowie der Reisepassnummer notiert: „tour. Aufenthalt 11.-12.4.86 Lpz./IH Merkur“, und für den nächsten Tag wird auf die gleiche kryptische Weise vermerkt, dass ich, nun von Leipizig kommend, in Magdeburg im Hotel „International“ übernachtet habe. Die Karte wurde in einer Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskarten in der HA (Hauptabteilung) II, Abteilung 13 des Staatssicherheitsdienstes gelagert. Die Hauptabteilung II war zuständig für Spionageabwehr, die Abteilung 13 beschäftigte sich mit Auslandskorrespondenten und Journalisten. Nun war ich weder als Spion in der DDR unterwegs noch als Journalist, sondern einfach als Teilnehmer einer Reisegruppe des Jeverländischen Altertums- und Heimatvereins. Durchaus ahnend, dass man uns genau beobachtete, denn schon während der Einreise an der innerdeutschen Grenze haben die Grenzpolizisten den Bus sorgfältig durchsucht und einen jungen Mann gefilzt, der sich unglücklicherweise auf den Platz gesetzt hatte, der laut Sitzplan (so etwas war für Gruppenreisen in die DDR vorgeschrieben) für mich vorgesehen gewesen war.

Wir haben der Stasi damals übrigens ein Schnippchen geschlagen, denn der Zweck der Reise war keinesfalls so touristisch wie wir Jeveraner vorgaben. Auf dem Rückweg von Leipzig nach Magdburg haben wir im Schutz von Nebel und Dunkelheit die Autobahn verlassen, sind nach Zerbst gefahren und wurden dort beim Heimatmuseum in aller Heimlichkeit von Vertretern des dortigen Heimatvereins zu einem kleinen Empfang und kurzen Rundgang empfangen. Im beklommenen Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, freuten sich Gastgeber und Gäste doch über die Begegnung – die Kontakte zwischen den historisch verbundenen Städten Jever und Zerbst sind in 40 Jahren DDR-Diktatur niemals abgerissen, und nach der Wende wurde daraus eine offizielle Städtepartnerschaft, die auch heute noch mit Leben erfüllt ist.

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