Karsten Specht

Herausforderung in der Heimat

Ein Friese steht an der Spitze eines der größten europäischen Wasserversorger

Von Helmut Burlager

Brake/Sillenstede. Wer als neuer Chef in einem Unternehmen anfängt, das gerade einen Tiefpunkt seiner Firmengeschichte erlebt, hat’s einerseits leicht: Es kann ja nur bergauf gehen, und das tut’s auch beim Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV). Am 1. Januar 2011 hat dort der aus Gummelstede bei Sillenstede stammende Diplomkaufmann Karsten Specht zusammen mit dem Diplomingenieur Peter Kaufmann die Geschäftsführung übernommen. Specht004 Andererseits ist es eine Riesen-Herausforderung, ein  Unternehmen wieder in die Spur zu bringen, das zwar wirtschaftlich immer gut dastand, aber gerade einen schlimmen Imageschaden erlitten hat und dessen 670 Mitarbeiter in den letzten Monaten unverdient viel Prügel bezogen haben für ein Desaster, das einige wenige Spitzenleute angerichtet haben.

Diese Herausforderung hat Karsten Specht gerne angenommen, und über die Vergangenheit, über die Machenschaften, die so viel öffentlichen Wirbel gemacht haben, will er gar nicht reden. Unbelastet von all dem, richtet der 40-Jährige den Blick nach vorn, will den OOWV dahin bringen, wo er hingehört, in den Kreis der Top-Unternehmen der europäischen Wasserversorger. Denn flächenmäßig ist der OOWV mindestens Deutschlands, wenn nicht Europas größtes Wasserversorgungsunternehmen, mit einem Verbandsgebiet, das von Wangerooge bis Damme, von Norddeich bis nach Bassum reicht und eine Million Kunden mit Trinkwasser hoher Qualität beliefert. Eine echte Hausnummer, auch im Vergleich zu den vielen kleinen Versorgungsunternehmen ringsherum, mit denen Specht und Kaufmann sich mehr Kooperation vorstellen können, ohne gleich auf Übernahmen zu schielen.

„Wir sind selbstbewusst, aber nicht arrogant“ – mit dieser Haltung will Specht sein Unternehmen den anderen als Partner anbieten. Und er will mit dem OOWV vom Behörden-Image wegkommen.  Gewiss, es ist ein kommunaler Verband, Träger sind Landkreise und Städte des Versorgungsgebiets, die auch in der Verbandsversammlung und im Vorstand den Ton angeben. Doch führen wollen Specht und Kaufmann als neue Geschäftsführer den Betrieb ganz und gar nach wirtschaftlichen Maximen, allerdings auftragsgemäß ohne Gewinnerzielungsabsicht.

Den Druck, immer effizienter zu arbeiten, die Preise niedrig zu halten, dabei gleichbleibend hohe Wasserqualitäten und -mengen bei schwieriger werdenden Rahmenbedingungen zu fördern und zu liefern, spüren alle Mitarbeiter. Karsten Specht sah gerade dies als Herausforderung an, die ihn motivierte, den schwierigen Job in Brake zu übernehmen.

Das zweite Motiv hieß: Heimat. Specht wurde 1970 in Sanderbusch geboren, wuchs in Gummelstede auf, erlernte den Beruf des Landwirts mit dem Ziel, den elterlichen Hof bei Sillenstede zu übernehmen. Die Pläne zerschlugen sich, weil Allergien ihm die Arbeit in der Landwirtschaft unmöglich machten.

So studierte er in Wilhelmshaven Wirtschaft, ging danach als Diplomkaufmann und Steuerberater nach Stuttgart, dann nach Hannover und schließlich nach Verden, wo er als Prokurist der Stadtwerke bereits mit dem Gebiet zu tun bekam, das er auch in Brake beackern wird, die Ver- und Entsorgung.

Als er sich beim OOWV beworben hatte und dann die Zusage bekam, fühlte er sich wie Marius Müller-Westernhagen in seinem Lied: „Ich bin wieder hier, in meinem Revier“. Nicht im Jeverland, aber doch wieder an der Küste, bei seinen Wurzeln. Noch dazu mit einer Aufgabe so recht nach seinem Geschmack betraut, bei der er auch seine Erfahrung aus der Landwirtschaft einbringen kann, sein Verständnis für ökologische und ökonomische Zusammenhänge. Specht: „Diese Stelle passt wie die Faust aufs Auge.“

Neben der fachlichen Herausforderung, das „Flaggschiff der Wasserversorgung im Nordwesten“ zu lenken, wie er es nennt, sieht er auch die menschliche Anforderung, die an ihn als neuen Chef gestellt wird, nämlich: „da wieder Frieden reinzukriegen“.

Aus einem patriarchalisch geführten Laden ein modernes Unternehmen mit klaren Führungs- und Kommunikationsstrukturen zu machen, in dem sich die Mitarbeiter wieder wohlfühlen und motiviert ans Werk gehen, ist wohl die wichtigste Aufgabe. Dabei hilft, dass der OOWV sich unter dem neuen Vorstandschef Frank Eger eine klare Gewaltenteilung verordnet hat: Hier der Vorstand, der die Interessen der Eigentümer vertritt und die Richtlinien vorgibt, da die Geschäftsführer, die für das operative Geschäft verantwortlich sind.

Es sind lange Arbeitstage, die Specht zurzeit in dem weitläufigen Komplex der OOWV-Zentrale in Sichtweite der Weser verbringt, seine Frau und die zwei Kinder sind noch nicht umgezogen. Bis spät abends ist der neue Chef im Hause. Alle anwesenden Mitarbeiter dort hat er am ersten Arbeitstag persönlich begrüßt, sie lächeln ihm zu, wenn er sie auf dem Flur trifft.

Ihm ist wichtig, ihnen zu signalisieren, dass nicht alles schlecht war beim „alten“ OOWV, und dass die Mitarbeiter einen guten Job gemacht haben. „Die Qualität unserer Wasserversorgung wird von der Bevölkerung längst als selbstverständlich genommen, dabei muss man nur sechzig Jahre z urückschauen, um zu wissen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, Wasser in dieser Menge und Qualität zu haben“, sagt Specht. „Es steckt sehr, sehr viel Arbeit dahinter.“

©  Der Beitrag erschien am 26. Februar 2011 im Jeverschen Wochenblatt

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