Unser koloniales Erbe

Das Erbe des Kolonialismus – eine gesellschaftliche Herausforderung auch für unsere Region. Zu einer Vortragsveranstaltung unter diesem Thema mit Dr. Sebastian-Manès Sprute (Berlin) und Wilma Nyari (Wilhelmshaven) lädt das Zeitgeschichtszentrum Gröschler-Haus in Jever am Donnerstag, 27. Oktober 2022, um 19 Uhr ein. Der Eintritt ist frei.

Dr. Sebastian-Manès Sprute (Berlin) und Wilma Nyari (Wilhelmshaven) Bilder: privat

„Wir stellen uns – endlich, muss man sagen – unserer Kolonialgeschichte,“ sagte im Juli dieses Jahres Außenministerin Anna-Lena Baerbock. Anlass war der Staatsakt zur Rückgabe der Eigentumsrechte an den während der Kolonialzeit nach Deutschland gekommenen Benin-Bronzen an Nigeria. Die lange und  erbittert geführte Debatte über die weltberühmten Kunstwerke, jetzt zu einem Ergebnis gekommen,  stellt nur das bekannteste Beispiel eines tiefgehenden Bewusstseinswandels dar, der die herkömmliche Sicht des Kolonialismus und seiner gesellschaftlichen und sozialen Folgen auf den Prüfstand stellt. Dieser Prozess wird als „Dekolonisierung“ bezeichnet, er ist längst nicht abgeschlossen.

Dabei geht es nicht nur um vor vielen Jahren geraubte Museumsstücke, sondern vor allem auch um  in Deutschland lebende Menschen, die afrikanische und asiatische Wurzeln haben. Ihre Geschichte ist der sogenannten weißen Mehrheitsgesellschaft weitgehend unbekannt und ihre Gegenwart häufig durch Ignoranz, Missachtung und Rassismus gekennzeichnet. Ihre Beteiligung an der Dekolonisierung kann sie gesamtgesellschaftlich sichtbarer machen.

Der Wissenschaftler Dr. phil. Sebastian-Manès Sprute (Technische Universität Berlin) und die zivilgesellschaftlich arbeitende Wilma Nyari (Runder Tisch Dekolonisierung Wilhelmshaven) geben bei der Vortragsveranstaltung „Das Erbe des Kolonialismus – eine gesellschaftliche Herausforderung auch für unsere Region“ im GröschlerHaus Jever eine Einführung in  die skizzierten Problemstellungen. Besonderheiten von Friesland-Wilhelmshaven werden berücksichtigt, soweit sie bisher erforscht wurden.  

Sprute – in Wilhelmshaven aufgewachsen – analysierte in seiner Dissertation die Durchsetzung kolonialer Zeitstrukturen im Senegal. Jüngst hat in einem von der Bosch-Stiftung geförderten Projekt alle in Frage kommenden Museen in Deutschland hinsichtlich ihrer Sammlungsherkunft aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun durchleuchtet, darunter auch das Wilhelmshavener Küstenmuseum. Diese postkoloniale Provenienzforschung brachte erstaunliche Ergebnisse zu Tage. Die durch brutale Kolonialkriege und menschenverachtendes Trägerleid gekennzeichneten Bedingungen der Objektbeschaffung vor Ort in Kamerun hat Sprute ebenfalls erforscht. Die sammelwütigen Kolonialherren waren immer auf der „Jagd nach der größtmöglichen Trommel“, wie er schreibt.

Die in Frankfurt/Main geborene Wilma Nyari bezeichnet sich selbst als Schwarze Deutsche. Sie trat zunächst mit Ausstellungen ihrer Fotografien (u.a. im Senckenberg Naturmuseum) hervor. 2021 gründete sie den „Runden Tisch Dekolonisierung Wilhelmshaven“, an dem die Museen in Wilhelmshaven, Repräsentanten kommunaler Einrichtungen, von Schulen und aus der Zivilgesellschaft teilnehmen, der bisher verschiedene Veranstaltungen angeregt hat und weitere plant. Sie ist Mitgründerin des Netzwerks „deKol Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven“, in dem sich Menschen, die Rassismus erfahren, aus der Region zusammengeschlossen haben, und wirkt in der Afrika Union Wilhelmshaven/Friesland mit.

Wie sich die Natur nach Waldbränden erholt

Der Süden brennt. In Frankreich, Griechenland, Spanien und Portugal gehen in der akuten Hitzewelle Zigtausende Hektar Pinienwälder und Heideflächen in Flammen auf. Können sich diese Landschaften je davon erholen?

Französische Biologen und Forstwissenschaftler haben in Langzeituntersuchungen verfolgt, wie sich mediterrane Waldgebiete nach einem solch verheerenden Brand entwickeln. Sie unterteilen die Regeneration der Brandflächen in fünf Phasen.

Waldbrände zerstören Natur, aber auch Naherholungsräume für die Menschen. Nissan-leu-Enserune im Languedoc. Hier brannten die unter Natur- und Landschaftsschutz stehenden Kiefernwälder in den vergangenen Jahren mehrfach. Foto: Helmut Burlager

Die ersten Monate

Tote und geschwächte Bäume dienen zur Ernährung und zur Eiablage für verschiedene Insekten (Fliegen, Käfer), die wiederum Nahrungsquelle für Vögel sind. Die grüne Natur kehrt schon bald in Form nachwachsender Moose, Kräuter und erster frischer Triebe an den Baumstümpfen zurück.

Das erste Jahr

Drei Monate nach dem Waldbrand. Les collines de Nissan-lez-Enserune, Languedoc. Foto: Helmut Burlager

Die Wüste lebt: Vögel, kleine Säugetiere und weitere Insekten besiedeln die Landschaft und tragen Samen von Pflanzen ein. Kleine Gewächse wie Thymian und Rosmarin, Zistrosen und der Erdbeerbaum sprießen. Schnell wächst die Aleppo-Kiefer nach, ein Baum, der sich optimal an die Bedingungen potenzieller Waldbrandgebiete angepasst hat. Denn während der leicht entflammbare harzhaltige Baum im Feuersturm komplett vernichtet wird, öffnen sich durch die Hitze die Kiefernzapfen und streuen Hunderte von Samen in die Asche. Aus ihnen erwachsen bald neue Bäume.

Ein Jahr nach dem Waldbrand, hier bei Nissan-lez-Enserune im französischen Languedoc, sprießt schon erstes Grün. Foto: Helmut Burlager

Nach fünf Jahren

Die Spuren des Feuers sind längst weniger sichtbar, den prärieartigen Boden bedeckt ein Teppich von Beerensträuchern. Die großen Säugetiere wie Hirsch, Fuchs, Dachs, Wildschwein, Hase und Fasan sind zurückgekehrt. Die Aleppo-Kiefern sind schon drei Meter groß.

Zwischen zehn und zwanzig Jahren

Das schützende Dach der groß gewordenen Kiefern fördert das langsame Wachstum von Laubbäumen wie Eichen. Die meisten Pflanzen haben inzwischen ihre Geschlechtsreife erlangt und könnten sich auch im Fall eines neuen Brandes fortpflanzen. Typische Waldbewohner wie etwa Schildkröten und Eidechsen, die das Feuer nicht überlebt haben, sind wieder zugewandert, nahezu alle Vogelarten zurück.

Nach 30 Jahren

Der Wald hat seinen alten Zustand für etwa ein Drittel der früher dort anzutreffenden Lebewesen wiedergefunden.

Fazit

Die mediterranen  Ökosysteme sind recht gut an Waldbrände angepasst, sie können die Folgen auch regelmäßig in größeren Abständen sich wiederholender Feuer ausgleichen. Kommt es innerhalb weniger Jahre zu mehrfachen Bränden, wird letztlich nur noch eine Heidelandschaft mit niedrigem, aber dichten Bewuchs zurückbleiben.

Überlebenskünstler

Neben der Aleppo-Kiefer ist die Korkeiche ein Baum, der sich durch besondere Resilienz gegenüber Bränden auszeichnet. Ihre dicke Korkrinde hält die enorme Hitze vom eigentlichen Stamm fern, 20 Monate nach einem Waldbrand schlägt der Baum wieder grün aus.

Informationen aus: Midi Libre

Ein Forum, kein Pranger

Was dürfen Leserbriefschreiber? Eine neue Kolumne auf meiner Ombudsmann-Seite. Gerne auch abonnieren!

Ombuds-News

Über die Frage, was in Leserbriefen erlaubt ist

Der kritische Blick auf Missstände gehört zu den Aufgaben der freien Presse. Fehlentwicklungen zu benennen, ist im demokratischen Staat nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht von Journalisten, die ihren Beruf ernst nehmen. Bevor eine Redaktion etwas anprangert, muss sie den Sachverhalt sorgfältig ermitteln. Stimmen die Fakten? Sind alle Argumente bekannt? Hat man alle Seiten gehört? Je härter ein Vorwurf, desto wichtiger die gründliche Recherche.

Aber gilt das auch für Leserbriefe? Darüber diskutierte ich vor einigen Wochen mit einer Leserin. Sie hatte einen aus meiner Sicht berechtigten Vorwurf erhoben. In einem Leserbrief war eine vereinsinterne Angelegenheit in die Öffentlichkeit gebracht worden. Die Verfasserin hatte einen nicht ganz glücklich abgelaufenen Disput während einer Übungsstunde geschildert und sich über den Übungsleiter beschwert. Der hatte keine Gelegenheit bekommen, seine Version des Vorfalls zu erzählen. Der Abdruck des Leserbriefs führte zu einem Zerwürfnis innerhalb des…

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Alles nur gekauft?

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft … ?
Eine neue Kolumne vom Ombudsmann.

Ombuds-News

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, deshalb vorweg der Hinweis: Ich habe zweimal an der Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion teilgenommen, Bier getrunken und mich am Büffet bedient, ohne dafür zu bezahlen. Eine von drei Sprechern der Seeheimer ist Siemtje Möller aus Friesland. Mich hat damals die Abgeordnete Karin Evers-Meyer eingeladen.

Dieses Bekenntnis ist notwendig, um unbefangen über ein Thema schreiben zu können, das die Bild-Zeitung und danach die Zeitschrift „The Pioneer“ aufgegriffen hat. Es ging um das Sponsoring, mit dem die Parlamentarier alljährlich die luxuriöse Wannsee-Schiffstour finanzieren. „The Pioneer“ nannte etliche Namen aus der langen Spenderliste. Die reicht vom Rüstungsunternehmen Rheinmetall bis zum Bundesverband der Zigarrenindustrie, von der Veltins-Brauerei bis zu Union Investment.

5000 Euro, hieß es in dem Artikel, müssten Verbände und Firmen mindestens hinlegen, um mit ihrem Logo auf einer diskret angebrachten Werbewand auf dem Schiff vertreten zu sein. Vor allem aber, um…

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Staatsknete für die Zeitungen?

Staatsknete für Verlagshäuser? Die Diskussion ist nicht neu, aber sie gewinnt an Aktualität und Brisanz. Meine Ombudsmann-Kolumnen findet Ihr bei Ombuds-News. Den Blog dürft Ihr natürlich gerne auch abonnieren.

Ombuds-News

Der eine Satz klingt harmlos. Der andere auch, aber nur auf den ersten Blick. „Freie und unabhängige Medien sind in einer Demokratie unverzichtbar“, lautet der erste. Der zweite: „Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind.“ So steht es im Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP 2021 unterschrieben haben.

Bedrucktes Papier, ist das noch die Zukunft der Zeitungen?
Foto: Helmut Burlager

Warum auch nicht, es wird ja alles Mögliche gefördert, weshalb nicht die Zeitungen? Weil die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse sich nicht mit einer Subventionierung durch den Staat verträgt, sagen Kritiker. Sie fürchten Einflussnahme der Regierenden auf die Medien, nach dem Motto „Wer zahlt, bestimmt die Musik“.

Dass es überhaupt zu der Diskussion gekommen ist, liegt daran, dass ein erfolgreiches Geschäftsmodell in Schwierigkeiten geraten ist. Zeitungsverleger, sagten Spötter früher, hätten die Lizenz zum Gelddrucken. Abo-Erlöse sprudelten so kräftig wie die Einnahmen…

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We kehr for you

Sabine Thümler. Foto: BSR

Den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern, nur weil eine Kehrmaschine vorbeifährt – das muss man erstmal hinkriegen.  „Wie kehr for you!“ steht auf den Fahrzeugen der Berliner Stadtreinigung (BSR). Das ist ein schönes Wortspiel mit dem englischen „to care for“, also sich um etwas oder jemanden kümmern. Für die legendäre Werbekampagne stand Sabine Thümler, Kommunikationschefin der BSR. Sie war bekannt wie ein bunter Hund und eine Legende unter den Berliner Pressesprechern. Im Dezember 2021, kurz vor Weihnachten, starb sie ganz plötzlich und unerwartet, wenige Monate vor ihrer Pensionierung. Etliche der Hauptstadtzeitungen veröffentlichten Nachrufe. Müllwagen ließ die PR-Chefin auch mit „Mülle grazie“ oder mit „Leerwagen“ beschriften, Nachweis ihres speziellen Humors, den sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatte. Sabine Thümler, die eigentlich Biologie und Geografie auf Lehramt studiert hatte, stammte gebürtig aus Friesland.

Fernsehserie „Der 7. Sinn“ lebt in Friesland weiter

Die zweite Folge der Video-Aufklärungsserie von Landkreis und Verkehrswachten ist auf Youtube veröffentlicht worden.

Von Helmut Burlager

Wer regelmäßig im Ausland unterwegs ist, weiß sie zu schätzen, für viele Verkehrsteilnehmer in Deutschland sind sie immer noch der Angstgegner: Kreisverkehre. Der Landkreis Friesland und die Verkehrswachten Jeverland und Varel haben deshalb das zweite Video ihrer neuen Reihe „Der 7. Sinn“ diesem Thema gewidmet. Es ist auf Youtube zu sehen.

In Friesland gibt es immerhin knapp ein Dutzend Kreisverkehre. Immer mal wieder kommt es zu kleineren und größeren Karambolagen oder zu Konflikten zwischen Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern, weil nicht alle Verkehrsteilnehmer wissen, wie man einen Kreisverkehr richtig nutzt. Dem soll das knapp vier Minuten lange Video entgegenwirken.

Denn eigentlich sorgen Kreisverkehre nicht nur für einen besseren Verkehrsfluss als Ampelkreuzungen, für weniger Umweltbelastung und auf längere Sicht auch für geringere Kosten. Sie sind im Prinzip auch sicherer, schon weil die Fahrzeuge mit niedrigerer Geschwindigkeit durchfahren und Unfälle oft glimpflicher ausgehen als bei Fahrfehlern auf konventionellen Kreuzungen und an Einmündungen.

Das Video zeigt anhand von Beispielsituationen an den verschiedensten Kreisverkehren in Friesland, wie man es richtig macht: Dass Vorfahrt hat, wer sich im Kreisel bewegt, dass man möglichst an den Verkehrsfluss angepasst hineinfährt, ohne zu blinken, und dass man beim Herausfahren den Blinker setzen muss. Dass Autofahrer wie auch Radfahrer beim Ein- und Ausfahren auf querende Radfahrer und Fußgänger achten müssen, die auch aus der „falschen“ Richtung kommen können. Und dass mit Rücksichtnahme alles besser geht – was die Quintessenz jedes Videos der neuen Reihe „Der 7. Sinn“ sein soll.

Im Juli 2021 hatten der Landkreis und die Verkehrswachten das erste Video der Reihe veröffentlicht, es drehte sich um das Thema Sicherheitsabstand zu Radfahrern. Bewusst knüpft das Projekt an die bekannte Fernsehserie an, die von 1966 bis 2005 im ersten Programm ausgestrahlt wurde und mit der Zeit Kultstatus bekommen hatte, Kultstatus – nicht nur wegen der eingängigen Titelmusik. Aus heutiger Sicht kuriose Folgen, etwa über „Frauen im Straßenverkehr“, werden bis heute auf Youtube viel geklickt.

Von der anhaltenden Popularität der Aufklärungsfilme wollen der Landkreis Friesland und die Verkehrswachten Jeverland und Varel-Friesische Wehde profitieren. Sie legen die Serie mit dem offiziellen Segen des Westdeutschen Rundfunks, der die Rechte besitzt, neu auf. Bei der Vorstellung des Projekts sagte Thorsten Hinrichs, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises, im Juli, es sei beim „gemeinsamen Nachdenken“ von Polizei, Verkehrswachten und Landkreis darüber entstanden, wie sich die  Verkehrssicherheitsprävention noch verbessern lasse und wie man neue Zielgruppen erreichen könnte. Zudem höre man immer wieder die Klage, dass sich im Verkehrsrecht ständig so viele ändert, dass die Leute kaum nachkämen.

Die Serie „Der 7. Sinn Friesland“ soll mit drei bis vier Beiträgen im Jahr solche Themen aufgreifen. Ideen gibt es noch viele. Sie in Videoclips umzusetzen, damit wurden Jana und Manfred Eckhoff von FRI-Media aus Jever beauftragt. Die können aber nicht nur auf ihre eigene lange Erfahrung mit der Produktion von Kurzfilmen zurückgreifen, sondern werden bei der Konzeption und Umsetzung von den Fachleuten der Verkehrswachten und der Polizei unterstützt.

„Über allem“, so Thorsten Hinrichs, „schwebt der Gedanke der Rücksichtnahme im Verkehr. Rücksicht, Rücksicht und noch mal Rücksicht.“

Polizei-Geschichte(n)

Plakat zur Wanderausstellung „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer“

Eine hilfsbereite, bürgernahe Polizei zu sein – das Ideal galt in der Weimarer Republik (1918-1933) so wie heute. Wie schnell sich so ein Anspruch in der Wirklichkeit und im Alltag verlieren kann, zeigt die Geschichte: Blutige Straßenkämpfe zwischen politischen Gegnern zersetzen die junge Demokratie. Die Polizei wird durch die Gewalt gefordert und ist nicht selten überfordert. Das Küstenmuseum Wilhelmshaven zeigt in Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion Wilhelmshaven-Friesland bis zum 23. Januar die Wanderausstellung „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer“. Sie handelt von der widersprüchlichen Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik; Exponate aus der Sammlung des Polizeimuseums Niedersachsen laden zu einer interessanten Zeitreise ein. Anlass ist auch ein lokales Jubiläum. Vor genau 100 Jahren, 1921, entstand die „Schutzpolizei Wilhelmshaven“. Deshalb ergänzt der Förderverein für Polizeigeschichte Wilhelmshaven die Ausstellung um spannende Objekte und Anekdoten. Quelle: Pressemitteilung der Polizeiinspektion Wilhelmshaven-Friesland

https://www.kuestenmuseum.de/

Zeitungen im Nordwesten sammeln Spenden für Flutopfer in Rheinland-Pfalz

Überflutete Straße im Katastrophengebiet. Bild: THW/Jan Herpertz

Wer hinterm Deich wohnt, den lässt es nicht kalt, wenn irgendwo auf der Welt Flutkatastrophen über eine Region hereinbrechen. Ob Elbehochwasser, Oderflut oder Tsunami im Indischen Ozean, immer war die Spendenbereitschaft im Nordwesten Deutschlands riesig. Und immer haben sich auch die Zeitungen der Region besonders engagiert. Das ist auch nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht anders. Die Nordwest-Zeitung, das Jeversche Wochenblatt, die Wilhelmshavener Zeitung und der Anzeiger für Harlingerland haben sich diesmal allerdings entschlossen, keine eigene Sammelaktion zu starten, sondern die ihrer Kollegen von der Rhein-Zeitung in Koblenz zu unterstützen. Ab sofort wird um Spenden gebeten, die dann direkt und ohne zeitlichen Verzug im Hochwasser-Gebiet eingesetzt werden können.

„Viele Familien stehen vor dem Nichts und haben nicht mehr als ihr nacktes Leben retten können“, schreibt Wochenblatt-Redaktionsleiterin Cornelia Lüers in der heutigen Ausgabe des Jeverschen Wochenblatts (21. Juli 2021). Deshalb unterstützten die Zeitungen der Region die Spendenaktion, die die Rhein-Zeitung gemeinsam mit dem Verein „Helft uns leben“ initiiert habe. Die Kollegen in Koblenz hätten das Unterstützungsangebot dankend angenommen.

Manuela Lewentz-Twer, Vorsitzende der Hilfsaktion „Helft uns leben“, wird mit den Worten zitiert: „Man möchte sofort losfahren und helfen, helfen, helfen. Aber im Moment ist es erst einmal das Beste, ein wenig abzuwarten und dann in Gesprächen mit den zuständigen Behörden zu schauen, wo man Gutes tun kann, ohne die übrigen Abläufe zu stören.“

Erste Spenden sind bereits verteilt worden: „Ein Beispiel, wie der Verein vor Ort hilft: Eine Firma stellte ihr Verkaufsfahrzeug zur Verfügung, das mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kindernahrung bestückt wurde und nach Bad Neuenahr fuhr. In der Kurstadt konnten so rund 400 Familien mit dem Nötigsten versorgt werden.“

Spendenkonto: Helft uns Leben, Sparkasse Koblenz, DE72 5705 0120 0000 0013 13, Stichwort „Der Nordwesten hilft“

Levy und die vergebliche Suche nach Heimat

Eckhard Harjes hat sein neues Buch über den letzten Juden von Jever veröffentlicht

Von Helmut Burlager

„Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe solange, bis man ihr das anmerkt.“ Nein, das ist keiner von den vielen Sprüchen, die Fritz Levy auf kleine Zettel geschrieben und in der ganzen Stadt verteilt hat. Aber der Satz hätte von ihm stammen können, wie so viele, die er mit seiner Schreibmaschine verfasste, die nun im Mittelpunkt eines neuen Buches steht.

„Fritz Typewriter oder: Eine Reise mit Fritz Levy um die Welt und andere Geschichten von Heimatsuchenden“ heißt das Werk. Eckhard Harjes ist der Autor, und er bringt in seinem zweiten Buch über den letzten Juden von Jever nicht nur neue Facetten des 81 Jahre währenden Lebens von Fritz Levy ans Licht. Es ist auch eine intensive Erzählung über den Verlust von Heimat.

Cover des neuen Buchs von Eckhard Harjes über Fritz Levy.

„Die Behauptung, ein Idiot zu sein, habe ich mit dem Argument zu bestätigen, dass ich nach Deutschland zurückgekehrt bin.“  Dieser Spruch stammt tatsächlich von Fritz Levy, der seine Heimat   zurückerobern wollte. Er hat es nicht geschafft, aber er blieb in Jever, jahrzehntelang ein Stachel im Fleisch der Kleinstadt. Wie der Komantsche aus dem Film von Herbert Achternbusch, von dem das im Buch wiedergegebene Eingangszitat stammt, war auch er wild entschlossen, so lange zu bleiben, bis man der Stadt anmerkt, wie sie ihn und die anderen Juden von Jever kaputt gemacht hat.

Die Geschichte, die Eckhard Harjes erzählt, beginnt damit, dass vor wenigen Jahren die alte Schreibmaschine von Fritz Levy, eine „Wanderer Continental“, wieder aufgetaucht ist. Sie weckte bei Harjes nicht nur Erinnerungen an seinen alten Freund, sondern auch die Fantasie. Der Autor begab sich gedanklich selbst auf die lange Reise, die Fritz Levy 1939 in Hamburg antrat und von der er erst 1950 zurückkehrte. Er erzählt von der beschwerlichen Fahrt auf verschiedenen Dampfern bis nach Shanghai, vom harten Alltag der Flüchtlinge dort. Davon, wie der Lebenskünstler Levy sich durchschlägt, schreibt, liebt und leidet, von seiner Sehnsucht, wieder nach Hause zu kommen, was ihm nach dem Krieg über eine Zwischenstation in San Francisco schließlich gelingt. Als er wieder da ist, findet er nicht Heimat, sondern Ablehnung.

Die meisten Menschen, die Levy noch gekannt haben, erinnern sich an den renitenten, oft verwirrt wirkenden Alten. Eckhard Harjes macht in seiner Fiktion den jungen Fritz Levy sichtbar, eine starke Persönlichkeit voller Tatendrang, ein Frauentyp, immer den Schalk im Nacken. Und den sensiblen Levy, der in der Fremde nicht glücklich wird, dem seine Familie fehlt, der charmant und romantisch sein kann und für seine Freunde da ist. Harjes hat sich das nicht nur ausgedacht. Er hat als Jugendlicher viel Zeit mit Levy verbracht und bei der Recherche den kompletten schriftlichen Nachlass Levys, einige tausend Dokumente, ausgewertet.

In Nebensträngen erzählt Harjes von seiner eigenen Jugend in Jever und seinem zwiespältigen Verhältnis zur Heimatstadt, die sich so schwer damit tat anzuerkennen, was während der NS-Zeit passiert ist und was sie den Juden angetan hat. Er geht zurück in die Zeit, als die Jugendlichen in der Stadt rebellierten, um ein Jugendzentrum kämpften, die Nazigeschichte aufarbeiteten und sich gegen das Verdrängen und Vergessen wehrten. Und dann geht es noch um die alte Schule, das Mariengymnasium, um seinen Lehrer Hartmut Peters, dem Harjes im Buch ebenso ein Pseudonym verpasst wie vielen anderen Akteuren, die man leicht wiedererkennt. Und Musik spielt eine große Rolle, denn sie war für die Jugendlichen das wirkliche Vehikel, sich vom ganzen Mief und Muff der Nachkriegszeit zu befreien. Das lesenswerte Buch endet in einer Träumerei des Autors, in der Fritz Levy mit all seinen Wegbegleitern und seiner Familie nach Jever zurückkehrt und sich hier wohlfühlt. Zurück in der Heimat, die es für Levy in Wirklichkeit nie wieder gegeben hat.

Eckhard Harjes: Fritz Typewriter oder: Eine Reise mit Fritz Levy um die Welt und andere Geschichten von Heimatsuchenden. Taschenbuch, 248 Seiten, Fuego Verlag, 14,90 Euro, ISBN 978-3-86287-963-2

Dieser Beitrag erschien zuerst im Jeverschen Wochenblatt.