Hartmut Peters

„Ich habe mich nie als gnadenlos empfunden“ – Ein engagierter Lehrer und Streiter gegen das Vergessen.

Jever  – Seine Schüler achteten und manche verehrten ihn – von den Jeveranern konnte man das nicht zu allen Zeiten behaupten. Deren Verhältnis zu Hartmut Peters war so ambivalent wie das des in Wilhelmshaven lebenden Oberstudienrats zur Stadt Jever.

Hartmut Peters in der historischen Bibliothek des Mariengymnasiums Jever. Foto (c): Helmut Burlager
Hartmut Peters in der historischen Bibliothek des Mariengymnasiums Jever. Foto (c): Helmut Burlager

Einerseits war der Lehrer, der 1978 als junger Linker ans Mariengymnasium kam, unbestreitbar ein ausgezeichneter Pädagoge, ein unermüdlicher Historiker, ein fähiger Schulorganisator und diskutierfreudiger Demokrat. Andererseits hat er manchen Jeveranern tüchtig auf die Füße getreten, als er zusammen mit einer Gruppe von Schülern Ende der 70er Jahre daran ging, das Schweigen über die dunklen Jahre des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung im Jeverland aufzubrechen.

Umgekehrt ist er wohl auch nicht so recht warm geworden mit der Stadt, in der er immerhin mehr als 35 Jahre lang begeistert und engagiert gelehrt und geforscht hat und deren Kinder er über zwei Generationen hinweg zum Abitur führte. Nun geht er, doch seine Arbeit hinterlässt Spuren, die noch lange sichtbar sein werden – ob in der Bibliothek des Mariengymnasiums, in der Architektur der Schule oder im kollektiven Gedächtnis der ganzen Stadt. Ende dieses Monats, am 31. Januar 2014, tritt Studienrat Hartmut Peters in den Ruhestand.

Bei seiner Verabschiedung nannte Schulleiter Frank Timmermann  das Projekt „Juden in Jever“, das Peters bis in die Gegenwart weiter vorangetrieben hat, und den Aufbau der „neuen“ alten Schulbibliothek als die Meilensteine in der Arbeit von Hartmut Peters. Stellvertretender Landrat Gustav Zielke erinnerte daran, dass das Projekt mit der Theodor-Heuss- Medaille ausgezeichnet worden sei. Bürgermeister Jan Edo Albers ergänzte, Jever wäre nicht das, was es heute ist, „wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die sich auch mit dem dunkelsten Kapitel der Geschichte gnadenlos und schmerzhaft auseinandergesetzt hätten“.

Als „gnadenlos“ habe er sich nie empfunden, antwortete Peters in seiner Dankesrede. ZumBeispiel hätten er und die am Projekt Beteiligten bis zum Schluss die Namen der Täter der Judenverfolgung kaum genannt, sondern die Grundlagen aufgezeigt, auf denen die Dinge damals geschehen seien. Er erinnerte daran, dass es nicht er gewesen sei, sondern Schülerinnen und Schüler an der Schule, die das Projekt anstießen. Und die in einer Art subkultureller „Jugendrevolte“ in bewegter Zeit einfach einen Lehrer „gekapert“ hätten, der sich ihrer Anliegen annahm.

Endlich weg?

Von Helmut Burlager

„Endlich ist er weg“, sagte bei der Verabschiedung von Oberstudienrat Hartmut Peters – der Verabschiedete selbst. Er sagte es nicht öffentlich, sondern nur halblaut im Zwiegespräch und mit einem verschmitzten Lächeln.
Und wäre er nicht als Oberstudienrat an der Schwelle zum Pensionärsdasein von Jever weggegangen, sondern gut 30 Jahre früher, als er noch Junglehrer am Mariengymnasium war, hätte wohl wirklich der eine oder andere diesen Stoßseufzer losgelassen. Den Gefallen tat er den Jeveranern nicht. Er blieb. Ein Stachel im Fleische derer, die über das „Tausendjährige Reich“ im Jeverland nach 1945 am liebsten gar nie wieder geredet hätten.

Vor 35 Jahren hätte sich in Jever aber auch niemand träumen lassen, dass zur Verabschiedung von Oberstudienrat Hartmut Peters aus dem aktiven Schuldienst am Mariengymnasium der Landrat und der Bürgermeister kommen und Lobreden halten würden auf einen Mann, der für die Stadt und diese Region so viel getan habe.

Was hat er getan? Gewiss, er hat die Bibliothek des Mariengymnasiums von einer verstaubten und verschimmelten Büchersammlung zu einer der wertvollsten Kultureinrichtungen weit und breit gemacht. Er hat die Entwicklung der altehrwürdigen Schule zu einem geistig wie baulich topmodernen Bildungsinstitut mit vorangetrieben. Er war wohl einfach auch ein sehr guter Lehrer.

Was aber besonders zählt und wofür Peters wirklich Dank gebührt ist, dass er zusammen mit einer Handvoll Schüler die Menschen in Jever wachgerüttelt und an ihrer Stelle das getan hat, was getan werden musste. An die Schuld zu erinnern, die die Stadt, ihre Institutionen und einzelne Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus auf sich geladen haben. Die schrecklichen Dinge sichtbar zu machen, die in den Jahren von weit vor 1933 bis zum Kriegsende 1945 und darüber hinaus den Judenvon Jever angetan wurden. Und – vor allem – den Überlebenden unter diesen Menschen die Hand zu reichen, sie nach Jever einzuladen, ihnen anstelle derjenigen, die es hätten tun sollen, ein ehrliches „Wir bitten um Verzeihung“ ins Gesicht zu sagen – das übernahmen junge Leute einer neuen, unbelasteten, aber kritischen Generation.

Peters und seine Schülerinnen und Schüler haben vor 30 Jahren mit ihrem preisgekrönten Projekt „Die Juden von Jever“ dafür gesorgt, dass die Stadt freier und ehrlicher mit ihrer Vergangenheit umgehen kann. Das wirkt bis heute. Einige wenige mögen ihm das immer noch nicht verziehen haben. Ist er für sie „endlich weg“? Nein. Die Vergangenheit ist niemals weg.

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