Auf der Suche nach dem wirklichen Leben
Von Helmut Burlager
27. Juli 2014

Hooksiel – In wenigen Wochen wird er 30 Jahre alt. Doch wenn er von den Stationen seines Lebens erzählt, könnt man auf den Gedanken kommen, dass er schon doppelt so lange lebt. Wilhelmshaven, Neuss, England, China, Singapur, Kalifornien, Düsseldorf, Aserbaidschan, Berlin, Hooksiel, demnächst Wien. Was treibt einen jungen Menschen, immer wieder aufzubrechen und Neues zu entdecken? „Ich will das wirkliche Leben erkunden“, sagt Tim Keweritsch. Jetzt kehrt der Berufsfotograf vorübergehend in seine Heimat zurück. Seit diesem Wochenende läuft im Künstlerhaus Hooksiel seine erste große Ausstellung: „Zu Hause in der Ferne – Begegnungen“. Bis zum 21. September wird sie dort zu sehen sein.
Das unstete Leben des Tim Keweritsch begann früh. In Wilhelmshaven geboren, wuchs er in Neuss auf, und als es mit der Schule irgendwann nicht mehr so richtig lief, ging er mit 15 auf ein Internat in Norwich in England. Mit den künstlerischen Genen seiner Mutter ausgestattet, fand er an er Langley-School einen Kunsterzieher, der ihn sehr förderte. In der Schule wie in seiner Freizeit beschäftigte sich der Junge mit Malen, Zeichnen, Bildhauerei. Nach dem Schulabschluss wechselte er ans Bellerbys College, wo er in Kunst und Design ausgebildet wurde, und zwei Jahr später zur Stiftung Art & Design am Universitätscollege in Farnham. Dort erwarb er nach zwei Jahren sein Kunstdiplom. Weil sein Filmprojekt „Distinction“ besonders ausgezeichnet worden war, fand er anschließend Aufnahme am Surrey-Institut of Art and Design, wo er Film und Video studierte. In dieser Zeit drehte der junge Filmemacher den ebenfalls preisgekrönten Kriegsfilm „Tiefschlaf“.

Um anschließend in eine ganz andere Richtung zu gehen. Tim Keweritsch stieg auf Fotografie um, packte seinen Koffer, reiste nach Tokio, studierte dort ein Jahr lang die Sprache und Kultur des Landes, das ihn von jeher fasziniert hatte, und begann das, was er als „Street Photograpy“ in seiner Biografie stehen hat. An der Arbeit mit der Fotokamera faszinierte ihn, ganz auf eigene Faust, ohne Team arbeiten und seine Kreativität ausleben zu können.

2007 kehrte er nach Deutschland zurück, sammelte beim Jeverschen Wochenblatt erste Erfahrungen in Pressefotografie, arbeitete dann in Krefeld für eine Werbeagentur in Sachen Industriefotografie, doch am Jahresende zog es ihn wieder nach Asien. In Shanghai kam er ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache, wieder nur mit seinem Koffer und der Fotoausrüstung, an. Suchte sich eine Bleibe in einer WG mitten zwischen den einfachen Menschen und erkundete ihr Leben mit seiner Kamera. Er wollte das „wirkliche Leben“, wie er sagt, weg von den Klischees über China. Kam aber auch in Kontakt mit der Modeszene und bekam bald Aufträge für Modefotografie. Es entstanden zahllose wunderschöne Porträts asiatischer Frauen.

Die Luftverschmutzung in Shanghai aber machte ihn krank, und so suchte er sich das Land mit der saubersten Luft in dieser Weltgegend, ging nach Singapur, wo er eineinhalb Jahre lebte und sich einen Namen in der Modefotografie und Designerbranche machte. Ein kurzes Intermezzo in Düsseldorf, dann ging es 2012 für sechs Monate nach Los Angeles, wo er sich auf Fitnessindustrie und Bodybuilder-Szene stürzte und nebenbei weiter Models fotografierte. Als sein Visum nicht verlängert wurde, zog er nach Berlin. Einfach, weil es Deutschlands internationalste Stadt ist und er das Ausland nicht so vermisste. Ein Job als Barmixer in einem großen Hotel hielt ihn nicht nur wirtschaftlich über Wasser, sondern brachte ihm 2013 auch eine offizielle Einladung nach Baku, wo er eine Fotoreportage über das Land Aserbaidschan machte.
Seitdem ist er noch mehr davon überzeugt, dass seine Zukunft ist der journalistischen Fotografie liegen sollte. So nah wie möglich heran an die Objekte. Die Menschen und die Dinge beobachten. Selbst über eine Karriere als Kriegsreporter hat er nachgedacht. Dass es dazu bislang keine Gelegenheit gab, beruhigt die Menschen in seiner Umgebung ein bisschen. Aber lange halten wird es Tim Keweritsch in Hooksiel sicher nicht. Er wird bald weiterziehen…

Ein Kommentar zu „Tim Keweritsch“