Ein monströses Paradies

Zeitnah zum Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar ist gestern in Frankreich der Holocaust-Film „The Zone of Interest“ mit der Oscar-nominierten Hauptdarstellerin Sandra Hüller an den Start gegangen. Wir haben ihn im Theatre + Cinéma Scène nationale Grand Narbonne gesehen. Er wurde hier in der Originalversion auf Deutsch mit französischen Untertiteln gezeigt. Fazit: Schwere Kost, aber absolut sehenswert. Ein Film, der angesichts der Sorge um ein Erstarken des Rechtsextremismus in Deutschland in die Zeit passt. In Deutschland ist der Kinostart in einem Monat, am 29. Februar, vorgesehen.

Dem britischen Regisseur Jonathan Glazer gelingt mit „The Zone of Interest“ das Kunststück, einen eindringlichen Film über Auschwitz zu drehen, ohne ein einziges Bild vom grausigen Geschehen innerhalb des Zauns des Vernichtungslagers zu zeigen. Alles wird nur aus der Binnenperspektive des idyllischen Gartens sichtbar, den Hedwig Höss (Sandra Hüller), die Frau des Lagerkommandanten Rudolf Höss (Christian Friedel), für ihre siebenköpfige Familie erschaffen hat, während ihr Mann nebenan den Massenmord organisiert.

Als Rudolf Höss nach zwei Jahren in Auschwitz nach Oranienburg versetzt werden soll, kämpft sie um ihre „Interessenzone“. Hedwig Höss bleibt mit ihren Kindern da, in ihrem grünen Paradies mit Blumen- und Gemüsegarten, Gewächshaus und Swimmingpool direkt neben der Hölle des Todeslagers. Eine Hölle, die die Bewohner des Paradieses nicht ignorieren können, denn sie sehen die Rauchschwaden, den nächtlichen Feuerschein, sie husten wegen des Gestanks und der Rußpartikel, sie hören die Geräusche der Öfen, die Schreie, Befehle, Schüsse. Und sie ignorieren sie doch, feiern ihre Gartenfeste, spielen lustige Spiele, lesen Märchen vor, baden am nahegelegenen Fluss, plaudern mit Freundinnen über teure Kleidung und kostbaren Schmuck, die ihnen aus dem Lager nebenan „geschenkt“ werden.

„The Zone of Interest“ ist ein monströses Schauspiel in starken, manchmal bizarren Bildern und eindringlichen Tönen. Für den Zuschauer ist das ungerührt gelebte Familienidyll im Schatten der Schornsteine von Auschwitz nur schwer erträglich. Man sollte sich diesen Film dennoch antun. Gerade in heutiger Zeit.