Wie sich die Natur nach Waldbränden erholt

Der Süden brennt. In Frankreich, Griechenland, Spanien und Portugal gehen in der akuten Hitzewelle Zigtausende Hektar Pinienwälder und Heideflächen in Flammen auf. Können sich diese Landschaften je davon erholen?

Französische Biologen und Forstwissenschaftler haben in Langzeituntersuchungen verfolgt, wie sich mediterrane Waldgebiete nach einem solch verheerenden Brand entwickeln. Sie unterteilen die Regeneration der Brandflächen in fünf Phasen.

Waldbrände zerstören Natur, aber auch Naherholungsräume für die Menschen. Nissan-leu-Enserune im Languedoc. Hier brannten die unter Natur- und Landschaftsschutz stehenden Kiefernwälder in den vergangenen Jahren mehrfach. Foto: Helmut Burlager

Die ersten Monate

Tote und geschwächte Bäume dienen zur Ernährung und zur Eiablage für verschiedene Insekten (Fliegen, Käfer), die wiederum Nahrungsquelle für Vögel sind. Die grüne Natur kehrt schon bald in Form nachwachsender Moose, Kräuter und erster frischer Triebe an den Baumstümpfen zurück.

Das erste Jahr

Drei Monate nach dem Waldbrand. Les collines de Nissan-lez-Enserune, Languedoc. Foto: Helmut Burlager

Die Wüste lebt: Vögel, kleine Säugetiere und weitere Insekten besiedeln die Landschaft und tragen Samen von Pflanzen ein. Kleine Gewächse wie Thymian und Rosmarin, Zistrosen und der Erdbeerbaum sprießen. Schnell wächst die Aleppo-Kiefer nach, ein Baum, der sich optimal an die Bedingungen potenzieller Waldbrandgebiete angepasst hat. Denn während der leicht entflammbare harzhaltige Baum im Feuersturm komplett vernichtet wird, öffnen sich durch die Hitze die Kiefernzapfen und streuen Hunderte von Samen in die Asche. Aus ihnen erwachsen bald neue Bäume.

Ein Jahr nach dem Waldbrand, hier bei Nissan-lez-Enserune im französischen Languedoc, sprießt schon erstes Grün. Foto: Helmut Burlager

Nach fünf Jahren

Die Spuren des Feuers sind längst weniger sichtbar, den prärieartigen Boden bedeckt ein Teppich von Beerensträuchern. Die großen Säugetiere wie Hirsch, Fuchs, Dachs, Wildschwein, Hase und Fasan sind zurückgekehrt. Die Aleppo-Kiefern sind schon drei Meter groß.

Zwischen zehn und zwanzig Jahren

Das schützende Dach der groß gewordenen Kiefern fördert das langsame Wachstum von Laubbäumen wie Eichen. Die meisten Pflanzen haben inzwischen ihre Geschlechtsreife erlangt und könnten sich auch im Fall eines neuen Brandes fortpflanzen. Typische Waldbewohner wie etwa Schildkröten und Eidechsen, die das Feuer nicht überlebt haben, sind wieder zugewandert, nahezu alle Vogelarten zurück.

Nach 30 Jahren

Der Wald hat seinen alten Zustand für etwa ein Drittel der früher dort anzutreffenden Lebewesen wiedergefunden.

Fazit

Die mediterranen  Ökosysteme sind recht gut an Waldbrände angepasst, sie können die Folgen auch regelmäßig in größeren Abständen sich wiederholender Feuer ausgleichen. Kommt es innerhalb weniger Jahre zu mehrfachen Bränden, wird letztlich nur noch eine Heidelandschaft mit niedrigem, aber dichten Bewuchs zurückbleiben.

Überlebenskünstler

Neben der Aleppo-Kiefer ist die Korkeiche ein Baum, der sich durch besondere Resilienz gegenüber Bränden auszeichnet. Ihre dicke Korkrinde hält die enorme Hitze vom eigentlichen Stamm fern, 20 Monate nach einem Waldbrand schlägt der Baum wieder grün aus.

Informationen aus: Midi Libre

Wir Weltmeister

Dieser Beitrag erschien zuerst im Jeverschen Wochenblatt (Ausgabe vom 6. April 2019) in der Serie „Mein Europa“.

Immer diese Klischees. Der Franzose, der morgens mit dem Baguette unterm Arm über den Marktplatz läuft. Der, statt richtig zu frühstücken, lieber in seiner Stammkneipe einen kleinen pechschwarzen Kaffee im Stehen nimmt und eine Zigarette raucht. Der um halb elf dorthin zurückkehrt und sich schon mal ein Gläschen Rosé genehmigt, um sich dann wieder in seinen verbeulten Citroen zu setzen. Den er dann hundert Meter weiter mitten auf der schmalen Altstadtgasse jäh zum Stillstand bringt, um bei heruntergekurbeltem Fenster mit einem Bekannten zu schwatzen, während sich hinter ihm der Verkehr staut.

Dominique und Hamid, unsere Apero-Freunde. Foto: Helmut Burlager

Mittags geht er selbstverständlich nicht nach Hause, sondern setzt sich mit Kollegen ins Restaurant, verspeist in aller Ruhe sein Drei-Gänge-Menü, zu dem er sich (natürlich) eine Karaffe Wein bestellt. Ohne Kaffee und Zigarette geht es danach nicht weiter, und wenn er dann endlich Feierabend hat, muss er dringend wieder in seine Bar und einen Apéro zu sich nehmen, mit seinen Kumpels über Gott und die Welt diskutieren. Denn es ist ja noch Zeit bis zum Abendessen mit der ganzen Familie, das sich so lange hinzieht, dass Deutsche in dieser Zeit nicht nur die Tagesschau und den Krimi, sondern auch noch die Tagesthemen und Sandra Maischberger angeguckt haben.

Dieser Franzose also ist mein Nachbar. Na ja, nicht wirklich, denn die Nachbarn in der Grand‘ Rue sind alle ganz verschieden, keiner entspricht exakt dem Klischee. Pierre zum Beispiel, der alleinstehende Rentner von schräg gegenüber, geht nie in die Kneipe. Er sitzt abends auch nicht mit der Familie zusammen, denn seine Tochter schaut nur ab und zu vorbei. Er schaltet lieber den Fernseher ein. Das würde der früh verwitweten Dame mit den erwachsenen Töchtern im Haus vis-à-vis nicht im Leben einfallen: Das tägliche gemeinsame Abendessen ist ihnen heilig, und wenn ihre und unsere Wohnzimmerfenster im ersten Stock offen stehen, könnten wir die angeregten Gespräche leicht mithören, wenn wir wollten und unser Französisch besser wäre. Das trainieren wir beim Einkaufen, zum Beispiel beim jovialen Dorfschlachter, der mit liebenswürdigen Sprüchen seine meist etwas älteren Kundinnen umgarnt.  Der mürrische Hobbywerkstattbetreiber von der anderen Ecke dagegen käme nie auf die Idee, ein Schwätzchen mit Nachbarn zu halten. „Der grüßt nicht“, beklagen sich die anderen.

Wir aber werden immer gegrüßt, wenn wir durch die Straße, über den Marktplatz, ins Café, zum Supermarkt gehen: „Bonjour, M’sieur’dame“. Nicht dass man uns wirklich kennt, „les Allemands“, die Deutschen mit ihren sonderbaren Macken, ihrer notorischen Pünktlichkeit, ihren sauberen Autos, den gefegten Hauseingängen, den kurzen Hosen und Trekkingsandalen, die – wie verrückt kann man nur sein – schon früh morgens freiwillig mit Fahrrädern durch die Gegend fahren oder durch die Berge joggen. „C’est fou“, das ist ja verrückt, sagt Pierre und tippt sich an die Stirn, wenn wir um 11 Uhr verschwitzt und glücklich von der morgendlichen Tour zurückkommen, um dann ein ordentliches deutsches Frühstück zu genießen, mit Käse und Wurst, Ei und Schinken, Honig und Marmelade. Immer diese Klischees …

Ich möchte das Leben in zwei Ländern nicht mehr missen. Es bedeutet, das Beste aus zwei Kulturen zu verbinden, den teutonischen Ernst und die südländische Leichtigkeit. Es bedeutet, mich auf unterschiedlichste Menschen einzulassen. Malika, die dunkelhäutige Wirtin mit ihrem fröhlichen Temperament. Lionel, der arbeitslose Dolmetscher, der sieben Sprachen spricht und im Dorfcafé vergeblich auf einen Job wartet. Hamid, der marokkanischstämmige Bauunternehmer, der so herrlich lachen und erzählen kann, Dominique, die fast ihr ganzes Leben auf Martinique verbracht hat und wehmütig den schönen Zeiten dort nachhängt. Der schüchterne, stets höfliche Ali aus Tunesien. Oder sein  Freund Patrice, der gutaussehende und (in wievielter Ehe nochmal?) verheiratete Schlachter, den es wieder nicht zu Hause hält, weil er so gesellig ist und seine Feierabend-Männerrunde in der Kneipe braucht.

Unsere Freunde? Das wär zu viel gesagt. Doch immerhin sind wir letztes Jahr am französischen Nationalfeiertag zusammen Fußballweltmeister geworden und haben das auf dem Marktplatz gefeiert. Welcher Deutsche konnte das 2018 schon von sich sagen?