Vortrag im Gröschlerhaus Jever über den Landwirt Robert de Taube vom Horster Grashaus
Zu den „Erinnerungsorten“, die in Friesland in den vergangenen Jahren zum Gedenken an das Leid von NS-Verfolgten eingerichtet wurden, gehört das Horster Grashaus zwischen Neustadtgödens und Kleinhorsten. Dass das Schicksal der hier bis Ende der 1930er-Jahre lebenden jüdischen Bewohner gut dokumentiert werden konnte, ist auch einem Zufallsfund zu verdanken.

Im Jahr 2018 kamen in Kentucky, USA, aus einem alten Schrank drei Audio-Kassetten ans Licht. Auf ihnen schildert der jüdische Landwirt Robert de Taube (1896 – 1982), langjähriger Inhaber des Horster Grashauses, seine Überlebensgeschichte. Den Bericht hatte Pfingsten 1971 sein Neffe Walter John Pohl (USA) bei einem Besuch aufgenommen.
Er beginnt mit der Pogromnacht vom 9. November 1938 auf dem Horster Grashaus und im Ort Neustadtgödens. De Taube schildert anschließend seine Verschleppung in das KZ Sachsenhausen, die gescheiterten Bemühungen, ein rettendes Exilland zu finden, und den Raub des landwirtschaftlichen Eigentums durch die Nationalsozialisten, die ihn 1940 von Wilhelmshaven aus nach Berlin in die Zwangsarbeit vertrieben.
Als 1943 die Deportationszüge nach Auschwitz zu rollen begannen, nahm er sein Versteck auf den Straßen der Reichshauptstadt und in den Waggons der Stadtbahn. Er fuhr kreuz und quer durch Berlin bis hin in die Vorstädte, handelte mit Gemüse, Obst und Kleidung, arbeitete als Gärtner und wechselte ständig seinen Unterschlupf. Töchter aus Nazi-Familien verliebten sich in ihn. In einer Grunewald-Villa fand er als Hausmeister seine beste Bastion. Ohne mutige Unterstützer hätte er nicht überlebt.
Bereits wenige Monate nach seiner Befreiung in Berlin war Robert de Taube wieder zurück in Wilhelmshaven und versuchte, das geraubte Eigentum in Horsten von den nunmehr „Alt-Nazis“ zurückzuerlangen. Das gelang ihm erst nach Jahren unter Anspannung aller Kräfte und durch Hilfe von im Ausland überlebenden Familienangehörigen. Robert de Taube gehörte – wie Fritz Levy in Jever – zu den Juden, die nach der Niederschlagung von Hitler-Deutschland an ein weiteres Leben in der Heimat glaubten, die aber dafür bitter bezahlen mussten.

Im Gröschlerhaus, dem Erinnerungsort und Dokumentationszentrum in Jever, hält der Historiker Hartmut Peters am Mittwoch, 8. Oktober, um 19 Uhr einen Bildervortrag unter dem Titel „Ein Leben im offenen Versteck und unter Alt-Nazis. Der jüdische Landwirt Robert de Taube (1896 – 1982) aus Horsten“. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.
Hartmut Peters hat mit Unterstützung von Nachfahren der Familie de Taube in den USA, Mexiko und England den erschütternden Bericht ediert, kommentiert und unter dem Titel „Das offene Versteck“ im Bremer Verlag Fuego veröffentlicht. In seinem Vortrag stellt Peters die Erinnerungen de Taubes und auch die spannenden Recherchen dazu vor. Es werden die aufgefundenen Audiokassetten angespielt und auch ein Amateurfilm gezeigt, der 1971 auf dem Horster Grashaus entstand.
Das Gröschlerhaus steht an der Stelle der zerstörten ehemaligen Synagoge von Jever in der Großen Wasserpfortstraße 19.




