Goodbye, Veggiewurst?

Sven Ambrosy ist kein „Lame Duck“, Rieke Havertz mal wieder in Amerika, Gitta Connemann will dem Reformationstag an den Kragen und bei der EU geht es um die Wurscht

Vom vielleicht besten und umtriebigsten aller bisherigen Außenminister der Bundesrepublik ging der Witz um, er fliege so viel in der Weltgeschichte herum, dass sich zwischen Bonn und Washington einmal zwei Regierungsmaschinen begegnet seien, in denen jeweils Hans-Dietrich Genscher saß. Das kam mir in den Sinn, als ich diese Woche mal wieder routinemäßig den Namen von Rieke Havertz googelte, um zu schauen, was die zu einiger Bekanntheit gelangte Journalistin aus Jever so treibt.

Man weiß ja nie, in welchen Talkshows, Presseclubs, Vortragsveranstaltungen und Expertenrunden die 45-Jährige einem gerade begegnet und ob sie ihre neuesten Podcasts in Berlin oder doch schon wieder in Ohio aufgenommen hat. Sie ist als USA-Expertin begehrt und schlägt sich auf den verschiedensten Podien immer gleich gut. In letzter Zeit war sie viel in Deutschland unterwegs und wird es wohl noch mehr sein, wenn sie in Kürze ihr neues Buch „Goodbye, Amerika?“ auf einer ausgiebigen Lesereise vorstellen wird. Unter anderem auch in Wilhelmshaven, wo die Veranstaltung des Brune-Mettcker-Verlages allerdings schon ausverkauft ist, wie man diese Woche erfuhr.

Zwischendurch hat sie aber wieder „Good Morning, America!“ gesagt, denn die Internationale Korrespondentin der „Zeit“ ist zur Abwechslung – in Washington. Diese Woche war sie in einem Podcast der Zeit zu hören; sie erklärt darin, was es mit dem von Donald Trump befohlenen Einsatz der Nationalgarde in Chicago auf sich hat. (Hier der Link zum Podcast, reinhören ab Minute -4.30, https://www.zeit.de/politik/2025-10/krise-autoindustrie-bundesregierung-nachrichtenpodcast )

Wenn ein Politiker ankündigt, nicht wieder kandidieren zu wollen, gilt er, um es mit einem Amerikanismus zu sagen, gemeinhin als „Lame Duck“, als lahme Ente, auf deren Meinung keiner mehr was gibt. Ganz anders bei Sven Ambrosy. Frieslands Landrat, der 2026 aus persönlichen Gründen nach 23 Jahren keine weitere Amtszeit anstreben will, ist zurzeit ein gefragter Gesprächs- und Interviewpartner. Vielleicht auch, weil man von jemandem, der nichts mehr werden oder bleiben will, erwarten kann, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Sollten die Kollegen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) darauf gehofft haben, so wurden sie nicht enttäuscht. In einem ausführlichen Interview, das am Dienstag erschien, rechnete Ambrosy mit der „großen Politik“ ab, die die Kommunen im Regen stehen lässt, und beklagte ausufernde Bürokratie.

Die Kommunen trügen 25 Prozent der staatlichen Ausgaben in Deutschland, bekämen aber nur 15 Prozent der Einnahmen. „Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, ist wohl offensichtlich“, sagte der Landrat. Mit Einsparungen komme man da nicht mehr weiter. „Freiwillige Leistungen werden überall zusammengestrichen, wo es irgendwie geht. Das tut weh, weil das oft Leistungen sind, die eine Kommune lebenswert machen: Kultur, Tourismus, Sport etc. Aber wir haben keinen Einfluss auf die Gesetze, die aus Berlin oder Hannover kommen. Wir müssen sie dann nur umsetzen und bezahlen.“

Bürokratie, so Ambrosy, sei „das Papier gewordene Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern. Mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Menschen und nicht immer nur unterstellen, dass der Bürger Böses will. Das System frisst sich da selbst auf, weil es seine Akzeptanz gefährdet.“

Den Ausbau einer Schule zum Beispiel müsse der Landkreis aktuell europaweit ausschreiben, das koste unnötige zwei Jahre Planung und Vorbereitung. Aber noch nicht einmal habe sich ein ausländisches Bauunternehmen auf ein derartiges Projekt in Friesland beworben, schilderte Ambrosy als Beispiel.

Die große Politik beschäftigt sich derweil mit wichtigen Fragen. Zum Beispiel, ob der Reformationstag als Feiertag abgeschafft werden soll, was die ostfriesische CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann aus Leer vorschlug und worüber man ja durchaus diskutieren kann. Ich habe schon bei der Einführung in Niedersachsen meine Zweifel gehabt, wozu das taugen soll.

Ob eine vegetarische Wurst weiter Wurst heißen darf, war die große Frage in Brüssel und wurde vom EU-Parlament mehrheitlich verneint. In der Diskussion darüber gefiel mir in dieser Woche ein Spruch von Andre Wolf auf Facebook. „All jene, die Veggie-Würste mit Fleisch-Würsten verwechseln, dürften bereits verstorben sein, nachdem sie Scheuermilch anstatt Vollmilch getrunken haben.“

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und am Ende des Monats einen geruhsamen Reformationstag. Genießen Sie ihn, vielleicht ist es der letzte freie …

Ihr Helmut Burlager

Drei Frauen aus Jever in drei journalistischen Top-Jobs

Neues von Rieke Havertz, Britta Kollenbroich und Hilke Janssen

Von Helmut Burlager

2025 wird anscheinend das Erfolgsjahr von Journalistinnen, die aus Jever stammen oder ihre Karriere hier begannen. Oder auf die beides zutrifft, wie auf die ZEIT-Redakteurin Rieke Havertz. Sie ist regelmäßiger Gast in politischen Talkshows sowie in der Presseschau des Morgenmagazins im Ersten und Zweiten Fernsehen und nicht nur dadurch einem breiten Publikum bekannt. Dass die 45-jährige USA-Expertin sich in letzter Zeit ein bisschen rarmachte, hat damit zu tun, dass sie sich bei der ZEIT eine kleine Auszeit genommen hat, um ein Buch zu schreiben. Das ist jetzt fertig.     

Rieke Havertz

„Goodbye, Amerika? Die USA und wir – eine Neuvermessung“ ist der Titel. Das Thema könnte aktueller nicht sein. „Das Amerikabuch, das wir jetzt brauchen“, kündigt der Aufbau-Verlag den 240-Seiten-Band an, der am 11. November erscheinen wird. „Ein zweites Mal Trump, Tech-Milliardäre im amerikanischen und im deutschen Wahlkampf, das transatlantische Bündnis in der Krise: Der Blick auf die USA macht zunehmend ratlos, die Berichterstattung hierzulande ist geprägt von Antiamerikanismus, Sensationalismus und dem Mantra vom gespaltenen Land. Aber es geht auch anders. Und vor allem produktiver. Denn die USA sind nach wie vor das mächtigste Land der Welt, ein echtes Verständnis als Basis einer zukunftsfähigen Beziehung ist daher unerlässlich. Die langjährige USA-Expertin und -Korrespondentin Rieke Havertz lädt uns ein in ihr Amerika. Sie spürt überraschenden Fakten nach, führt uns zu den Schlüsselorten des Landes und macht deutlich: Wer die US-Politik verstehen will, muss die Menschen verstehen.“

Soweit der Werbeblock. Dass Rieke Havertz die Richtige ist, uns Amerika zu erklären, daran besteht kein Zweifel. 1980 geboren, machte die Jeveranerin ihre ersten journalistischen Gehversuche in der kleinen Redaktion des NWZ-Jeverlandboten in ihrer Heimatstadt. Nach dem Journalistik-Studium an der Universität Leipzig und der Ohio University ging sie als Redakteurin zur taz und wechselte 2016 als Redaktionsleiterin und Chefin vom Dienst zu ZEIT ONLINE. Mehrfach war sie für die ZEIT als Korrespondentin in den USA tätig und berichtete unter anderem über spannende Wahlkämpfe. Seit 2020 betreibt sie zusammen mit Klaus Brinkbäumer den Podcast „OK, America?“, in dem die beiden Experten sehr regelmäßig und ausführlich die aktuelle politische Lage in den Vereinigten Staaten analysieren.

Soeben ist dieser Podcast mit dem renommierten scoop-Award der Initiative nextMedia in Hamburg ausgezeichnet worden. Die Verleihung an Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer wird am 10. September 2025 im Rahmen des „scoopcamp“ stattfinden, in der Vorankündigung heißt es, mit dem Preis sollten zwei herausragende Medienpersönlichkeiten und ein Format gewürdigt werden, das exemplarisch für journalistische Exzellenz und digitale Verbreitung stehe. „OK, America?“ liefere „fundierte Analysen zur US-amerikanischen Politik aus einer deutschen Perspektive – klug, kontinuierlich und journalistisch präzise. Einen entscheidenden Anteil am Erfolg haben Klaus Brinkbäumer und Rieke Havertz, deren Persönlichkeit und Expertise das Format tragen.“ Dr. Nina Klaß, Leiterin von nextMedia Hamburg und Verantwortliche für das scoopcamp und den Award, schrieb: „Wer die USA verstehen will, kommt an Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer nicht vorbei.“

Hilke Janssen

An Hilke Janssen kommt nicht vorbei, wer regelmäßig NDR-Fernsehen und NDR-Radioprogramme sieht und hört. Auch sie stammt aus Jever. In diesem Sommer (2025) hat sie die Leitung der Redaktion für Landespolitik, Wirtschaft und die ARD-Zulieferung übernommen. Seit 14 Jahren ist Hilke Janssen hauptberuflich für den NDR tätig. In Dortmund und Budapest hat sie Journalistik, Politik und Anglistik studiert und danach als freie Journalistin gearbeitet, bevor sie zum Norddeutschen Rundfunk kam. Seit 2023 ist sie Mitglied im Vorstand der Landespressekonferenz Niedersachsen und übernahm dort das Amt der Schatzmeisterin. „Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil es nichts Besseres gibt, als Neues zu lernen, um die Welt besser zu verstehen“, hat sie vor einiger Zeit in einem Interview mit dem DJV Niedersachsen gesagt.

Britta Kollenbroich

Sie ist nicht die Erste, die ihr journalistisches Handwerk beim Jeverschen Wochenblatt gelernt hat und dann beim renommierten „SPIEGEL“ landete. Britta Kollenbroich (Jahrgang 1986) ist Anfang Juli bei dem Hamburger Nachrichten- und Meinungsmagazin einen weiteren Karriereschritt gegangen. Seit etlichen Jahren war die aus Wittmund stammende Redakteurin beim Spiegel stellvertretende Leiterin des Auslandsressorts. Anfang Juli hat sie ihre neue Position als Auslandskorrespondentin in Washington D.C. angetreten, ein Traumjob für die weitgereiste Friesin. Von 2006 bis 2008 hatte sie in Jever in der Lokal- und Sportredaktion volontiert und anschließend bis 2009 als Redakteurin gearbeitet. Dann wechselte sie zum Bachelor- und Masterstudium nach Hamburg, blieb aber vier Jahre lang nebenbei für die Financial Times Deutschland und bis 2016 für die Deutsche Presseagentur tätig.

2014 berichtete sie von der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, unter anderem schrieb sie auch eine Kolumne über ihre Erfahrungen dort für das Jeversche Wochenblatt. Im selben Jahr stieg sie als studentische Hilfskraft beim Spiegel ein und ist dort seit Anfang 2016 Redakteurin. Schon zwei Jahre später wurde sie stellvertretende Ressortleiterin, zunächst bei Spiegel Online, dann im Auslandsressort. Nun ist sie mit ihrer ganzen Familie wieder dort, wo sie schon immer gerne war: im Ausland. Der spannende Korrespondentenjob in den Vereinigten Staaten ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt.