Da brat mir doch einer ’nen Matjes

Was das Internetportal t-online über die Urlauberstadt Jever herausgefunden hat

Von Helmut Burlager

Nach Jever müsste man mal fahren. Soll unheimlich schön sein. „Klein, urig und voller Geschichte“, wie das Internet-Nachrichtenportal t-online schreibt. „Urlaub am Wasser“ – das sei schließlich das, worauf sich viele Menschen das ganze Jahr über freuen. Nun ja, mit Wasser fängt die jüngst veröffentlichte Reisereportage über die Marienstadt tatsächlich an. Mit demjenigen, das im Friesischen Brauhaus zu Bier veredelt wird. Gerstensaft, Handwerkskunst, Grünkohl, Schloss, Fräulein Maria, der Verfasser bedient im Artikel die gängigen Klischees. Liest sich nett, aber unspektakulär.

Das Schloss von Jever. Touristische Attraktion – aber doch nicht in der Friesischen Wehde, oder?
Bild: Helmut Burlager

Doch dann, nach drei, vier Absätzen, holt er so richtig aus. Denn auch wer kein Bier mag oder seinen Urlaubsfokus eher auf Naturerlebnisse legt, wird  laut t-online fündig. „Jever liegt im Herzen der Friesischen Wehde, einem flachen, weiten Landstrich zwischen Moor, Marsch und Geest“, erfährt das Publikum. Moment mal … Friesische Wehde? Liegt die nicht viel weiter südlich?

Aber tapfer weitergelesen: „Direkt vor den Toren der Stadt erstrecken sich gut ausgeschilderte Rad- und Wanderwege durch das Naturschutzgebiet Upjeversche Heide.“ Was sich laut Verfasser auch empfiehlt: „Ein Abstecher ins Fehn- und Schifffahrtsmuseum im Stadtteil Cleverns lohnt sich für maritime Geschichtsfreunde.“ Damit nicht genug: „Wer zeitgenössische Kunst schätzt, findet in der Kunsthalle Jever wechselnde Ausstellungen lokaler und internationaler Künstler.“

War der Autor vielleicht in Lüneburg? In Westrhauderfehn? In Wilhelmshaven? Aber nein, er setzt unbeirrt fort: „Wer tiefer in die Landschaft eintauchen will, startet eine Kanutour auf der Harle – ein ruhiger Fluss, der sich gemächlich durch Felder und Dörfer schlängelt …“ Kanus kann man in Jever tatsächlich mieten, aber um damit auf der Harle zu fahren, müsste man erstmal über das Hookstief nach Hooksiel und auf die Nordsee, weiter bis nach Harlesiel paddeln, wo der ostfriesische Fluss mündet.

Aber vielleicht sollte man vorher was essen. Zum Beispiel „gebratenen Matjes mit Zwiebeln“, das soll angeblich eine Spezialität sein in Jever, serviert im Haus der Getreuen oder im Hof von Oldenburg, wie t-online schwärmt. „Wer es feiner mag: Die Brasserie & Vinothek Charlotte verbindet norddeutsche Zutaten mit französischer Leichtigkeit.“ Hinterher kann man dann im Eiscafé San Marco ein handgemachtes Eis aus regionalen Zutaten, darunter Sorten wie  „Friesensahne“ oder „Schietwetter-Schokolade“ genießen.

Toll, nur findet man die erwähnte Brasserie in Jever überhaupt nicht, und für das Schietwetter-Eis müsste man nach Schillig fahren, da gibt es nämlich ein Eiscafé, auf das immerhin der genannte Name zuträfe. Ob’s dort „Friesensahne“ gibt, wäre eine Recherche wert.

Womit wir beim Thema wären. Recherche. Das Wort scheint man bei t-online nicht zu kennen. Dafür wahrscheinlich das Wort KI, was für künstliche Intelligenz steht. KI wird immer beliebter, obwohl sie, wie der Beitrag auf dem Internetportal zeigt, doch ein wenig fehlerbehaftet zu sein scheint. Kluge Journalisten verlassen sich besser nicht drauf, sondern machen sich selbst schlau. Und will man partout mit KI arbeiten, empfiehlt es sich, die Ergebnisse zu prüfen, am besten mithilfe der natürlichen Intelligenz. Darüber muss man allerdings erstmal verfügen.

„Das war die KI“ ist keine Ausrede

Deutscher Presserat stellt Verantwortung für künstlich erzeugte Inhalte klar

„Da kann ich nichts dafür, das war die KI.“ Mit so einer Ausrede kommt keiner davon, der Beiträge veröffentlicht, die er von einer Maschine hat schreiben lassen. Das hat der Deutsche Presserat jetzt klargestellt.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass jemand, der Texte publiziert, dafür auch geradestehen muss. Aber das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse sah sich doch genötigt, diese Verantwortung schwarz auf weiß ins „Grundgesetz“ der seriösen Medien aufzunehmen.

„Der Pressekodex gilt auch für journalistische Inhalte, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz entstanden sind“, heißt es in einer Mitteilung des Presserats, dessen Plenum des Presserats 19. September 2024 die Präambel des Pressekodex um einen entsprechenden Passus erweitert hat. Er lautet: „Wer sich zur Einhaltung des Pressekodex verpflichtet, trägt die presseethische Verantwortung für alle redaktionellen Beiträge, unabhängig von der Art und Weise der Erstellung. Diese Verantwortung gilt auch für künstlich generierte Inhalte.“

Zusätzliche Änderungen im Pressekodex, etwa eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Texte, hält der Presserat der Mitteilung zufolge derzeit nicht für erforderlich. „Für die ethische Bewertung von Beschwerden spielt es keine Rolle, wer mit welchen Hilfsmitteln einen Beitrag erstellt hat. Die presseethische Verantwortung, zum Beispiel für die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, liegt weiter uneingeschränkt bei den Redaktionen”, so der Sprecher des Presserats Manfred Protze.

Bilder, die mithilfe von KI entstanden sind, müssen jedoch als Symbolbilder gekennzeichnet werden. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass künstlich generierte Bilder die Realität abbilden”, so Protze. Die Richtlinie 2.2, nach der symbolische Illustrationen als solche erkennbar zu machen sind, hat der Presserat bereits bei der Bewertung von Beschwerden in Bezug auf KI-generierte Bilder angewendet.

Mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Recherche und Erstellung von Inhalten, also Texten, Grafiken, Videos und Bildern, aber auch in der Produktion von Presseprodukten bis hin zu komplett von KI befüllten Portalen, automatisch erstellten Zeitungslayouts und Ablieferung von fertigen ganzen Seiten befassen sich inzwischen die meisten Medienhäuser. Dadurch stellt sich zunehmend die Frage nach der Verantwortung für die publizierten Inhalte. Auch wenn im Streitfall darüber sicher Gerichte entscheiden – presseethisch liegt sie nun auf jeden Fall bei den Redaktionen.