Tag 1 | Fremdschämen

Das Jahr fängt schon mal mit Fremdschämen an. Das Krankenhaus in Grenoble, wo Michael Schumacher um sein Leben kämpft, hat Reporter und Übertragungswagen vom Parkplatz und aus der Einfahrt zur Notaufnahme verbannt, weil es durch die Medienvertreter zu Behinderungen gekommen sei. Welcher Politiker war das noch mal, der Journalisten als „Wegelagerer“ bezeichnet hat?

Michael Konken über „Zukunftsperspektiven des Qualitätsjournalismus“

Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus startet

Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verband.  Foto (c): Anja Cord, DJV
Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verband.
Foto (c): Anja Cord, DJV

Wilhelmshaven – Mit einem öffentlichen Vortrag zum Thema „Zukunftsperspektiven des Qualitätsjournalismus“ eröffnet Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), in diesem Wintersemester die Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus (InMWJ) an der Jade Hochschule am Studienort Wilhelmshaven. Der Vortrag findet am Donnerstag, 10. Oktober, um 16 Uhr in Raum H 303 (Hauptgebäude, Friedrich-Paffrath-Straße 101, 26389 Wilhelmshaven) statt. Die Veranstaltungsreihe trägt den Titel „Hintergrundberichte zur Kommunikation“.

Der Journalismus befindet sich im Umbruch und muss sich neu orientieren. So haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten in den vergangenen Jahren stark verändert. Es stellt sich aktuell die Frage, so Michael Konken, mit welchen Rahmenbedingungen Qualitätsjournalismus künftig noch funktioniert, wie die Aussichten von Print, Online und Rundfunk sind und wie er finanziert werden kann.

Michael Konken ist seit 2003 Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Er ist Mitglied des ZDF-Fernsehrates und der deutschen UNESCO-Kommission. An der Universität Vechta lehrt er Journalismus, Politik und Öffentlichkeit, an der Jade Stadt- und Regionalkommunikation. Zuvor arbeitete Konken unter anderem für den Deutschlandfunk in Köln, für Radio Bremen und für das Jeversche Wochenblatt. Außerdem war er im Studiengang Medienwirtschaft und Journalismus der Jade Hochschule sowie als Pressesprecher für die Stadt Wilhelmshaven und die „Expo am Meer“ tätig. Alle Interessierten sind zu dem öffentlichen Vortrag herzlich eingeladen.

DJV-Preis soll couragierte Journalisten würdigen

Bad Zwischenahn/Hannover – Mit einem „Preis für journalistische Courage“
will der Landesverband Niedersachsen im Deutschen Journalistenverband (DJV)
künftig die Arbeit von Journalisten und Journalisten würdigen, die von
außergewöhnlicher Courage geprägt ist. Auf dem Journalistentag des DJV in
Bad Zwischenahn (Landkreis Ammerland) haben die fast 50 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus ganz Niedersachsen an diesem Wochenende die Vergabe des mit
1000 Euro dotierten Preises beschlossen.

Der Preis soll zum ersten Mal an die Redakteurinnen und Redakteure der
„Allgemeinen Zeitung“ in Uelzen vergeben werden, die über die Taten der so
genannten „Douglas-Bande“ berichtet haben. Die Kolleginnen und Kollegen
seien dabei Opfer massiver Einschüchterungsversuche von Familienangehörigen
der Täter geworden, berichtete DJV-Landesvorsitzender Frank Rieger. Nach der
Festnahme von fünf Tätern, die in Uelzen Bürger verprügelt und Geschäfte
überfallen haben sollen, seien Journalisten, die über den Prozess
berichteten, massiv unter Druck gesetzt worden, kritisierte Rieger.

Mit den Tarifauseinandersetzungen im Zeitungsbereich auf Bundesebene im
vergangenen Jahr und den Diskussionen über den „Wert des Journalismus“
beschäftige sich Ulrike Kaiser, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende, in
ihrem Grußwort. Sie kritisierte die zunehmende Abwertung des Berufes bei
gleichzeitg steigenden Anforderungen. Auch gebe es immer weniger
Bereitschaft, für professionelle Informationen auch angemessene Preise zu
zahlen. Betriebswirtschaft rangiere vor Journalismus, bedauerte Kaiser und
forderte eine gesellschaftliche Diskussion, was Journalismus heute wert ist.

Man werde nicht tatenlos zusehen, wenn Verleger in Ostfriesland, wo 20
Mitarbeiter entlassen werden sollen, oder in Oldenburg, wo die
Geschäftsführer der „Nordwest-Zeitung“ nur wenig Bereitschaft zum Abschluss
eines Haustarifvertrages zeigen, mit ihrem Sparkurs bewusst journalistische
Qualität aufs Spiel setzen. Der DJV werde nicht schweigen, wenn die
Pressefreiheit weiter eingeschränkt werde, kündigte Kaiser an.

Quelle: Pressemitteilung des DJV Niedersachsen

Sex and Crime statt Datenrecherche

Wie Journalisten mit Material von Wikileaks umgehen

Prof. Dr. Andrea Czepek in der Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus

Von Katrin Busch

Andrea Czepek
Prof. Dr. Andrea Czepek lehrt im Studiengang Medienwirtschaft und Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. (c) Katrin Busch

Wilhelmshaven 250 000 teilweise geheime Dokumente des US-Außenministeriums veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks ab Dezember 2010. Es handelte sich um Korrespondenz zwischen dem Außenministerium und den Botschaften der USA. Eigentlich eine wahre Einladung an Journalisten, die Daten auszuwerten und investigativ zu berichten. Doch die Medien beschäftigten sich kaum mit dem brisanten Material, sondern vornehmlich mit dem Wikileaks-Sprecher Julian Assange, den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung und mit seiner Festnahme. Das ergab eine Analyse von Prof. Dr. Andrea Czepek, die sie am Donnerstagnachmittag als zweiten Beitrag der Vortragsreihe „Journalismus vordenken …“ des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven vorstellte.

Czepek hat in einer Inhaltsanalyse 1125 Fernsehbeiträge und Zeitungsartikel über Wikileaks vom Dezember 2010 aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Schweden verglichen. Drei Studierende, die Schwedisch, Französisch bzw. Spanisch sprechen, unterstützten sie dabei. Ein zentrales Ergebnis: Der Datenjournalismus ist bei den traditionellen Medien noch nicht angekommen. „Sex and Crime“ spielte in der Berichterstattung eine weit wichtigere Rolle. Fast ein Drittel der untersuchten Nachrichtenbeiträge erwähnte Assange als handelnde Person. Ein Großteil der Berichte handelte von den Vergewaltigungsvorwürfen, die mit in Wikileaks veröffentlichten Dokumenten nichts zu tun hatten. Neben der Personifizierung waren „Nähe“ und „Konflikt“ weitere entscheidende Nachrichtenfaktoren. In allen untersuchten Ländern war das Land, über das in den Wikileaks-Artikeln am meisten berichtet wurde, das eigene Land. Und durchschnittlich rund 73 Prozent aller Beiträge in den fünf Ländern betonten einen Konflikt.

Weitaus größere Unterschiede als zwischen den Ländern stellte Andrea Czepek zwischen den verschiedenen Medienarten fest. Der Zwang, im Fernsehen zu visualisieren, führte in den untersuchten TV-Nachrichten zu einer stärkeren Personifizierung und Ereignisbezogenheit. So interviewte zum Beispiel die britische BBC den Rocksänger Meat Loaf, der erklärte, er wolle Julian Assange am liebsten „die Zehen abschneiden“. In einem anderen BBC-Beitrag waren peruanische Schamanen zu sehen, die in ihren Vorhersagen für 2011 Assange als große Gefahr für US-Präsident Barack Obama identifizierten und den Wikileaks-Sprecher mit einem Fluch belegten. Insgesamt verwendeten Fernsehnachrichten mehr Interviews mit Experten – wie etwa ehemaligen Botschaftern – während Zeitungen mehr Analysen und zum Teil drastische Kommentare veröffentlichten. So bezeichnete der Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), Ulrich Reitz, die Veröffentlichung der Dokumente als größten Geheimnisverrat der Geschichte.

Insgesamt wurde jedoch mit Ausnahme der britischen Zeitung „The Guardian“ recht wenig Bezug auf die Originaldokumente genommen oder gar aus ihnen zitiert. Czepek führt diese länderübergreifende Erscheinung auf die weiter zunehmende Digitalisierung und Ökonomisierung der Mediensysteme zurück: Erhöhter Zeit- und Wettbewerbsdruck ließen kaum noch Raum für journalistische Leistungen wie das aufwändige Untersuchen umfangreicher Datensammlungen. Stattdessen werde auf leicht zugängliche Informationen wie PR-Texte oder bereits in anderen Medien veröffentlichte Inhalte zurückgegriffen.

Dass die Professorin mit ihrem Vortragsthema den Nerv der Medienwirtschaft- und Journalismus-Studierenden und ihrer Kollegen im Publikum getroffen hatte, zeigte die anschließende lebhafte Diskussion über den Datenjournalismus, über die Zukunft von Wikileaks und über das Schicksal des US-Soldaten Bradley Manning, der beschuldigt wird, Wikileaks die geheimen Daten zugespielt zu haben.

Quelle: Pressemitteilung der Jade Hochschule, Autorin Katrin Busch

Jade Hochschule

Zwei weitere Journalisten in Syrien getötet

Hamburg/Damaskus – Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt darüber, dass erneut zwei Journalisten in Syrien getötet wurden. Walid Blidi und Nassim Terreri kamen einer Pressemitteilung von ROG zufolge am 26. März bei einem Angriff syrischer Truppen in Darkusch nahe der syrisch-türkischen Grenze ums Leben. Ein weiterer Reporter wurde verletzt und in ein Krankenhaus in der türkischen Grenzstadt Antakya gebracht.

„Wir verurteilen die gezielte Ermordung der beiden Journalisten“, so ROG. Die zwischen 28 und 32 Jahre alten Reporter waren zu Recherchen für eine Dokumentation über das Gebiet Idlib im Nordwesten Syriens unterwegs. Die Region gilt als einer der Ausgangspunkte der Aufstände in Syrien. Walid Blidi ist britischer Staatsbürger mit algerischen Wurzeln, die Nationalität seines Kollegen ist bislang unklar.

„Mitunter ist es sehr schwierig, Identität und Nationalität getöteter oder verletzter Journalisten festzustellen“, so ROG. Die Organisation appelliert an freie Journalisten, sich vor dem Einsatz in Krisengebieten entsprechend zu versichern und Kollegen über ihre Reisepläne zu unterrichten. Redaktionen müssten Kosten für Versicherungen und entsprechende Ausrüstung freiberuflicher Reporter in Krisengebieten übernehmen bzw. im Honorar berücksichtigen.

Ausführliche Informationen zum Thema Sicherheit für Journalisten in Krisengebieten unter: http://bit.ly/H6gqKG.

Justizministerin für Stärkung der Pressefreiheit

Würzburg, 7.11.2011 / DJV – Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat am heutigen Montag auf dem Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbands in Würzburg die zahlreichen Verstöße gegen die Pressefreiheit in aller Welt verurteilt. Sie forderte einen stärkeren Einsatz für die freie Presse und betonte die wichtige Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen: „Die Medien sind die wichtige vierte Gewalt in Deutschland.“ Die Politik müsse die rechtlichen Rahmenbedingungen für die freie Presse schaffen. „Der Staat darf nicht einmal den Eindruck erwecken, Journalisten von kritischer Recherche abhalten zu wollen.“

Vehement setzte sich Leutheusser-Schnarrenberger für den Gesetzentwurf ihres Ministeriums zur Stärkung der Pressefreiheit ein. Nur so seien Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Journalisten auf Dauer zu verhindern. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition im kommenden Frühjahr dem Gesetz zustimmen werde. Eine klare Absage erteilte sie hingegen gesetzlich verordneten Netzsperren.

Die Justizministerin wiederholte in Würzburg ihre Kritik an einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. So lange die Überprüfung der Datenspeicherung auf europäischer Ebene nicht abgeschlossen sei, müsse Deutschland mit einer isolierten Gesetzgebung warten.

Leutheusser-Schnarrenberger unterstützte im Zusammenhang mit dem Einsatz des so genannten Bundestrojaners die Forderung des DJV nach einer lückenlosen Aufklärung. „Wir müssen politisch diskutieren, ob sich diese Technik auf den Zweck ihres Einsatzes begrenzen lässt.“

DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken forderte nach ihrer Rede die Bundesjustizministerin auf, in der Koalition weiterhin für die Pressefreiheit zu streiten.

Pressemitteilung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) vom 7. November 2011

UN-Aktionsplan zum Schutz von Journalisten

Berlin, 21.09.2011/djv – Der Deutsche Journalisten-Verband hat den neuen Aktionsplan der Vereinten Nationen als wirksamen Schritt zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten in Krisenregionen begrüßt. Der Plan sieht vor, die Sicherheit von Journalisten als neuen Indikator in die Jahresbilanz derjenigen Staaten aufzunehmen, die Entwicklungshilfe erhalten. Die Bilanz ist maßgeblich für Art und Umfang der geleisteten Entwicklungshilfe. Der Aktionsplan verlangt ferner, dass der Mord an einem Journalisten ebenso entschlossen aufgeklärt und bestraft wird wie es bei einem Polizistenmord der Fall ist.

„Wir hoffen, dass sich durch den Aktionsplan der Vereinten Nationen die Lage der Kolleginnen und Kollegen in den unterentwickelten Ländern schnellstens verbessert“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Kritische Journalisten müssen in vielen Ländern der Erde um ihr Leben fürchten. Kapitalverbrechen an Berichterstattern werden oft gar nicht oder nur unzureichend geahndet.“ Die Kopplung der Entwicklungshilfe an die Situation der Pressefreiheit sei die beste Maßnahme, um den Schutz der Journalisten zu gewährleisten. Der DJV erwarte, so Konken, dass die politischen Entscheidungsträger bei den Vereinten Nationen den Aktionsplan so schnell wie möglich Wirklichkeit werden ließen.

Wieske: Pressekodex dient fairem Journalismus

Berlin – Der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Lokalzeitungen, Martin Wieske, hat Kritik der Springer-Presse am Deutschen Presserat zurückgewiesen. „Die Zeitungen sind gut beraten, sich auch weiterhin an den Regeln des Deutschen Presserates zu orientieren“, sagte Martin Wieske in Berlin.

Die freiwillige Selbstkontrolle und der Pressekodex seien von den deutschen Zeitungen und Zeitschriften seit Jahrzehnten anerkannt und dienten einem fairen Journalismus, heißt es in einer Mitteilung des VDL. Natürlich unterliege auch der Pressekodex in einer sich ständig ändernden Medienwelt hin und wieder einer Überprüfung. Und sicher könne es bei der Bewertung von Veröffentlichungen auch in Einzelfällen mal zu unterschiedlichen Auffassungen kommen.

Es gebe aber keinen Anlass, die ethischen Grundsätze grundsätzlich und bewusst in Frage zu stellen und die Öffentlichkeit auch noch dagegen aufzuwiegeln, wie kürzlich in der „Bild“-Zeitung geschehen. „Wir sollten aufpassen, dass die gesamten Branche auf diese Weise keinen Schaden nimmt“, so der VDL-Geschäftsführer.

DJV-Vorsitzender Konken: Pressefreiheit wird schleichend ausgehöhlt

Der Deutsche Journalisten-Verband hat aus Anlass des Welttags der Pressefreiheit am 3. Mai bessere Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten eingefordert. „Zur Pressefreiheit gehört nicht nur, dass Journalisten ohne Zwänge und Repressionen arbeiten können“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Pressefreiheit bedeutet auch Schutz vor unerwünschter Einflussnahme, egal von wem.“ Der DJV-Vorsitzende wies in dem Zusammenhang auf wiederholte Versuche einzelner Politiker hin, Einfluss auf die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nehmen. Ein Beispiel sei die Reaktion von Politikern auf kritische Berichte im ZDF-Magazin Frontal 21. Es könne nicht angehen, dass kritisierte Politiker Rügen für die Redaktion forderten, statt sich mit der Kritik inhaltlich auseinanderzusetzen.

Auch in den anderen Mediengattungen herrscht aus Sicht des DJV Nachholbedarf bei der Pressefreiheit. Wo Redakteuren die Zeit für Recherchen fehle, werde die Pressefreiheit schleichend ausgehöhlt. „Viele Redakteure leiden darunter, dass in den Chefetagen kaum noch Verlegerpersönlichkeiten sitzen, die ihnen im Zweifel den Rücken frei halten“, sagte Konken. Manager, die nur die Wirtschaftsdaten ihres Verlags im Blick hätten, seien unsensibel für die notwendige Unabhängigkeit des Journalismus. „Die Pressefreiheit fängt in den Redaktionen an – diese Botschaft muss endlich gelebte Praxis im Journalismus werden.“

Reporter ohne Grenzen verurteilt Angriffe gegen Medienvertreter

Pressemitteilung vom 23. Februar 2011:

Journalisten, die über die Unruhen in Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas berichten, waren in den vergangenen Wochen massiven Repressionen ausgesetzt. In Libyen, im Jemen, in Bahrain, im Iran, im Irak und in Algerien versuchen die Regierungen, die Medienmitarbeiter an ihrer Arbeit zu hindern: Reporter ohne Grenzen (ROG) dokumentierte  in den vergangenen zwei Wochen zahlreiche tätliche Übergriffe gegen Journalisten und Festnahmen durch Sicherheitskräfte und Unterstützer der Regierungen. Zudem wurde in den meisten der Staaten die Online-Überwachung verschärft. 

ROG verurteilt die Repressionen scharf und fordert mehr Respekt gegenüber der Arbeit der Journalisten. „Die Regierungen greifen auf Mittel der Gewalt und Einschüchterung zurück, um Berichte über die Proteste, die von den Ereignissen in Ägypten und Tunesien inspiriert sind, zu verhindern. Wir fordern alle Seiten auf, der Arbeit von Journalisten mehr Achtung entgegenzubringen. Die Öffentlichkeit in diesen Ländern hat ein Recht auf unparteiische und unabhängige Informationen“, so ROG.

In Libyen ist der von den Behörden verhängte Nachrichtenblackout weiter wirksam. Es ist für Journalisten praktisch unmöglich, ihrer Arbeit nachzugehen. Die wenigen ausländischen Korrespondenten, die bereits vor Ausbruch der Krise im Land waren, stehen unter starker Überwachung. Eine Reihe von ausländischen Journalisten versucht nun, von Tunesien aus nach Libyen zu gelangen.

Das Programm von „Al-Dschasira“ wird seit dem 20. Februar gestört. Der Nachrichtensender vermutet hinter den Sendeunterbrechungen den libyschen Geheimdienst. Die Programme der libanesischen TV-Stationen „National Broadcasting Network“, „Al-Jadeed“ und „Al-Manar“ wurden nach eigenen Angaben ebenfalls gestört.
Der libysche Zeitungsjournalist Atif al-Atrasch gilt nach einem Interview mit Al-Dschasira seit dem 18. Februar als vermisst. Der Mitarbeiter der Zeitung „Quryna“ hatte mit dem in Katar ansässigen Sender über die Demonstrationen in der Hafenstadt Bengasi im Norden des Landes gesprochen. In der vergangenen Woche waren zudem einige lokale Journalisten kurzzeitig verhaftet worden.

Nach Informationen von Netzwerk-Sicherheitsfirmen wurde das Internet in dem nordafrikanischen Land seit dem 18. Februar mehrmals abgeschaltet. Offenbar sind auch alle Telefondienste – Festnetz und Mobilfunk – seit dem 21. Februar unterbrochen.

Auch im Jemen sind die Anti-Regierungsdemonstrationen seit Ende Januar begleitet von einer Serie der Gewalt gegen Medienvertreter. 15 Journalisten wurden bereits Ende Januar festgenommen. Am 18. Februar wurden weitere 18 Medienmitarbeiter verhaftet – sie arbeiten alle für die in Aden ansässige unabhängige Zeitung „Al-Jakeen“. Das Blatt hatte zuvor in großem Umfang über die jüngsten Demonstrationen in dem vorderasiatischen Land berichtet und auch die Namen von getöteten oder verletzten Menschen aufgelistet. Seit dem 11. Februar zählt ROG darüber hinaus mindestens 19 tätliche Angriffe auf einheimische und ausländische Journalisten – in den meisten Fällen durch Anhänger der Regierungspartei und Sicherheitskräfte.

In Bahrain schossen am 18. Februar Scharfschützen aus einem Helikopter heraus auf einen Reporter und einen Kameramann der „New York Times“. Die Journalisten beobachteten und filmten die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen auf dem Perlenplatz der Hauptstadt Manama. Am selben Tag und am selben Ort wurde ein Mitarbeiter des US-amerikanischen Fernsehsenders „ABC News“ angegriffen und geschlagen, seine Kamera wurde konfisziert. Mehreren ausländischen Journalisten wurde an diesem Tag nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Manama zudem die Einreise in das Land verwehrt.

Die Geschwindigkeit der Internetverbindungen wurde in Bahrain stark gedrosselt, Seiten mit Filmen und Bildern der Proteste blockiert. ROG begrüßt hingegen die Freilassung von mindestens 25 Menschenrechtsaktivisten und Oppositionellen am 22. Februar in dem Königreich. Darunter sind auch zwei Blogger, die seit September 2010 inhaftiert waren.

Im Iran hat das Regime die Zensur der Neuen Medien seit den Protesten am 20. Februar wieder verschärft: Die Geschwindigkeit der Internetverbindungen wurde stark gedrosselt und in einigen Teilen Teherans, Isfahans, Schiras und Maschads sogar vollständig gekappt. SMS-Dienste sind ebenfalls seit dem 20. Februar unterbrochen. Die Behörden versuchen damit, vor allem den Zugriff auf den Kurznachrichtendienst Twitter zu verhindern. Die Übertragung der Programme von BBC und „Voice of America“ unterliegt starken Störungen. Unabhängige Nachrichtenseiten und oppositionelle Seiten sind Cyberattacken ausgesetzt.

23. Februar 2011, Reporter ohne Grenzen (Pressemitteilung)