Drei Frauen aus Jever in drei journalistischen Top-Jobs

Neues von Rieke Havertz, Britta Kollenbroich und Hilke Janssen

Von Helmut Burlager

2025 wird anscheinend das Erfolgsjahr von Journalistinnen, die aus Jever stammen oder ihre Karriere hier begannen. Oder auf die beides zutrifft, wie auf die ZEIT-Redakteurin Rieke Havertz. Sie ist regelmäßiger Gast in politischen Talkshows sowie in der Presseschau des Morgenmagazins im Ersten und Zweiten Fernsehen und nicht nur dadurch einem breiten Publikum bekannt. Dass die 45-jährige USA-Expertin sich in letzter Zeit ein bisschen rarmachte, hat damit zu tun, dass sie sich bei der ZEIT eine kleine Auszeit genommen hat, um ein Buch zu schreiben. Das ist jetzt fertig.     

Rieke Havertz

„Goodbye, Amerika? Die USA und wir – eine Neuvermessung“ ist der Titel. Das Thema könnte aktueller nicht sein. „Das Amerikabuch, das wir jetzt brauchen“, kündigt der Aufbau-Verlag den 240-Seiten-Band an, der am 11. November erscheinen wird. „Ein zweites Mal Trump, Tech-Milliardäre im amerikanischen und im deutschen Wahlkampf, das transatlantische Bündnis in der Krise: Der Blick auf die USA macht zunehmend ratlos, die Berichterstattung hierzulande ist geprägt von Antiamerikanismus, Sensationalismus und dem Mantra vom gespaltenen Land. Aber es geht auch anders. Und vor allem produktiver. Denn die USA sind nach wie vor das mächtigste Land der Welt, ein echtes Verständnis als Basis einer zukunftsfähigen Beziehung ist daher unerlässlich. Die langjährige USA-Expertin und -Korrespondentin Rieke Havertz lädt uns ein in ihr Amerika. Sie spürt überraschenden Fakten nach, führt uns zu den Schlüsselorten des Landes und macht deutlich: Wer die US-Politik verstehen will, muss die Menschen verstehen.“

Soweit der Werbeblock. Dass Rieke Havertz die Richtige ist, uns Amerika zu erklären, daran besteht kein Zweifel. 1980 geboren, machte die Jeveranerin ihre ersten journalistischen Gehversuche in der kleinen Redaktion des NWZ-Jeverlandboten in ihrer Heimatstadt. Nach dem Journalistik-Studium an der Universität Leipzig und der Ohio University ging sie als Redakteurin zur taz und wechselte 2016 als Redaktionsleiterin und Chefin vom Dienst zu ZEIT ONLINE. Mehrfach war sie für die ZEIT als Korrespondentin in den USA tätig und berichtete unter anderem über spannende Wahlkämpfe. Seit 2020 betreibt sie zusammen mit Klaus Brinkbäumer den Podcast „OK, America?“, in dem die beiden Experten sehr regelmäßig und ausführlich die aktuelle politische Lage in den Vereinigten Staaten analysieren.

Soeben ist dieser Podcast mit dem renommierten scoop-Award der Initiative nextMedia in Hamburg ausgezeichnet worden. Die Verleihung an Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer wird am 10. September 2025 im Rahmen des „scoopcamp“ stattfinden, in der Vorankündigung heißt es, mit dem Preis sollten zwei herausragende Medienpersönlichkeiten und ein Format gewürdigt werden, das exemplarisch für journalistische Exzellenz und digitale Verbreitung stehe. „OK, America?“ liefere „fundierte Analysen zur US-amerikanischen Politik aus einer deutschen Perspektive – klug, kontinuierlich und journalistisch präzise. Einen entscheidenden Anteil am Erfolg haben Klaus Brinkbäumer und Rieke Havertz, deren Persönlichkeit und Expertise das Format tragen.“ Dr. Nina Klaß, Leiterin von nextMedia Hamburg und Verantwortliche für das scoopcamp und den Award, schrieb: „Wer die USA verstehen will, kommt an Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer nicht vorbei.“

Hilke Janssen

An Hilke Janssen kommt nicht vorbei, wer regelmäßig NDR-Fernsehen und NDR-Radioprogramme sieht und hört. Auch sie stammt aus Jever. In diesem Sommer (2025) hat sie die Leitung der Redaktion für Landespolitik, Wirtschaft und die ARD-Zulieferung übernommen. Seit 14 Jahren ist Hilke Janssen hauptberuflich für den NDR tätig. In Dortmund und Budapest hat sie Journalistik, Politik und Anglistik studiert und danach als freie Journalistin gearbeitet, bevor sie zum Norddeutschen Rundfunk kam. Seit 2023 ist sie Mitglied im Vorstand der Landespressekonferenz Niedersachsen und übernahm dort das Amt der Schatzmeisterin. „Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil es nichts Besseres gibt, als Neues zu lernen, um die Welt besser zu verstehen“, hat sie vor einiger Zeit in einem Interview mit dem DJV Niedersachsen gesagt.

Britta Kollenbroich

Sie ist nicht die Erste, die ihr journalistisches Handwerk beim Jeverschen Wochenblatt gelernt hat und dann beim renommierten „SPIEGEL“ landete. Britta Kollenbroich (Jahrgang 1986) ist Anfang Juli bei dem Hamburger Nachrichten- und Meinungsmagazin einen weiteren Karriereschritt gegangen. Seit etlichen Jahren war die aus Wittmund stammende Redakteurin beim Spiegel stellvertretende Leiterin des Auslandsressorts. Anfang Juli hat sie ihre neue Position als Auslandskorrespondentin in Washington D.C. angetreten, ein Traumjob für die weitgereiste Friesin. Von 2006 bis 2008 hatte sie in Jever in der Lokal- und Sportredaktion volontiert und anschließend bis 2009 als Redakteurin gearbeitet. Dann wechselte sie zum Bachelor- und Masterstudium nach Hamburg, blieb aber vier Jahre lang nebenbei für die Financial Times Deutschland und bis 2016 für die Deutsche Presseagentur tätig.

2014 berichtete sie von der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, unter anderem schrieb sie auch eine Kolumne über ihre Erfahrungen dort für das Jeversche Wochenblatt. Im selben Jahr stieg sie als studentische Hilfskraft beim Spiegel ein und ist dort seit Anfang 2016 Redakteurin. Schon zwei Jahre später wurde sie stellvertretende Ressortleiterin, zunächst bei Spiegel Online, dann im Auslandsressort. Nun ist sie mit ihrer ganzen Familie wieder dort, wo sie schon immer gerne war: im Ausland. Der spannende Korrespondentenjob in den Vereinigten Staaten ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt.

„Eine Zensur findet nicht statt“

Presse – Was dürfen Redakteure und was dürfen sie nicht? Der lange Weg zur Pressefreiheit

Von Helmut Burlager

Rechte und Aufgaben von Journalisten werden heute wieder heftig diskutiert. Aber das wurden sie eigentlich zu allen Zeiten.

JEVER. Was ist die Aufgabe von Redakteuren? Diese Frage stellt sich der Berufsstand, seit es ihn gibt, und auch Außenstehende diskutieren regelmäßig darüber: Was dürfen Journalisten eigentlich? Wozu sind sie da, welche Rechte haben sie, welche Pflichten? Für wen arbeiten sie, wem muss ihre Loyalität gelten? Dienen sie den Regierenden, dem Staat, der Gesellschaft, der Demokratie oder nur den wirtschaftlichen Interessen ihrer Verleger? Sind sie frei oder unfrei, schreiben sie ihre eigene Meinung auf oder werden sie von irgendjemand gesteuert?

Erstausgabe des Jeverschen Wochenblatts vom 5. Mai 1791. Foto: Helmut Burlager

Fragen über Fragen, und die Antworten darauf fielen zu allen Zeiten verschieden aus. Denn in vierhundert Jahren Zeitungsgeschichte hat sich der Journalismus immer wieder gewandelt. Und mit ihm das Bild vom Berufsstand des Redakteurs.

Aktuell ist dieses Bild ein wenig ramponiert. „Lügenpresse“, schallt es Kollegen entgegen, wenn sie sich einer Demonstration der politischen Rechten nähern, die ohnehin glaubt, Redakteure aller Medien bekämen Anweisungen darüber, was sie zu schreiben hätten, direkt von Angela Merkel aus dem Kanzleramt.

Von den einen als Handlanger und Schreibknechte der Mächtigen gescholten, von anderen als Störenfriede, notorische Einmischer, Wichtigtuer und neunmalkluge Besserwisser verachtet, sehen die Journalisten selbst sich zumeist ganz anders. Nämlich als institutionellen Teil der demokratischen Gesellschaft, als „vierte Gewalt“, die den Herrschenden auf die Finger haut und auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen hat, nicht einmal auf die eigenen Arbeitgeber. Doch ist dem wirklich so?

Die Wahrheit ist, wie so oft, vielschichtig. Und lässt sich am besten an Beispielen erzählen, etwa an der Geschichte des Jeverschen Wochenblatts. Denn begonnen hat alles schon im Jahr 1723. Da hat als erster überhaupt der Buchdrucker-Altgeselle Johann Christoph Keil aus Bremen den Versuch gemacht, in Jever eine Druckerei zu eröffnen. Von Pressefreiheit war damals noch keine Rede, der Antrag des Bremers wurde von der fernen Regentschaft in Anhalt-Zerbst kurzerhand abgelehnt. Ebenso zwei weitere Gesuche anderer Buchdrucker in den Folgejahren.

Dabei lechzte zumindest die gebildete Öffentlichkeit nach Lesestoff. 300 Jahre nach der Erfindung des modernen Buchdrucks durch Gutenberg machte zum Beispiel der Rektor der Lateinschule (des heutigen Mariengymnasiums) das Thema Buchdruckerkunst im Jahr 1740 geschickt zum Thema der damals üblichen Abschiedsreden der Abiturienten.

Erfolgreich war dann erst der Auricher Buchdrucker Borgeest, der 1787 den vierten Antrag stellte, eine Druckerei betreiben zu dürfen. Nach einigen Rückschlägen konnte er am 16. April 1791 dem Publikum ankündigen, dass er künftig jeden Donnerstag die Zeitung „Jeverische wöchentliche Anzeigen und Nachrichten“ veröffentlichen werde, in der neben Nachrichten und Bekanntmachungen auch „historische, öconomische und sonstige wissenschaftliche, das allgemeine interessirende Aufsätze“ gedruckt würden. Um in einem Halbsatz klarzustellen: „… wenn selbige die Censur passieren.“

Eine Zeitung ja, Pressefreiheit nein. In der ersten Ausgabe vom 5. Mai 1791 lesen die ersten Abonnenten denn auch Unverfängliches, unter anderem einen Aufsatz über die Frage, wie eigentlich die Muscheln, die für die Kalkbrennerei genutzt werden, auf das Watt kommen und wie sie sich vermehren. Belehrendes, Unterhaltendes, Wissenswertes, aber auch bald erste Anzeigen prägen das Bild der jungen Zeitung. Journalismus im heutigen Sinne gab es so wenig wie den dazugehörigen Beruf. Der erste Schriftleiter des Wochenblatts war zugleich der „Rechnungssteller“, des Verlages, ein offenbar tüchtiger Mann namens Carl Hübling; seine Position entsprach der eines heutigen Verlagsleiters. Was er zu veröffentlichen gedachte, musste er zuerst der Polizei im Rathaus zur Zensur vorlegen.

Eine inhaltliche Erweiterung erfuhr das Blatt Mitte des 19. Jahrhunderts, in einer Phase, in der in Deutschland die Einigungs- und Demokratisierungsbestrebungen Fahrt aufnahmen. 1844 erschienen als Beiblatt erstmals die „Jeverländischen Nachrichten“, redigiert unter anderem von Hofrat G. H. Ehrentraut, Karl Strackerjan und dem Landwirt und Wissenschaftler Friedrich von Thünen aus Canarienhausen, der in der Freiheitsbewegung von 1848 das Jeverland im Oldenburgischen Landtag vertrat. Das Blatt machte sich Ziele wie „die Teilnahme an den gemeinsamen Angelegenheiten der Staatsbürger zu beleben und zu fördern“ oder „der Freiheit werth zu sein und die Verläumder der Presse zu beschämen“ zu eigen und richtete sich damit auch gegen die weiter bestehende Zensur.

Wurde die Zeitung unter diesen drei Köpfen zu einem wichtigen Organ liberaler Ideen und Meinungen sowie sozialer Reformen in den bewegten Zeiten der Märzrevolution, so schwenkte sie gegen Ende des Jahrhunderts, nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, langsam ins nationalkonservative Lager.

Journalistisch nahmen ab 1890 das Jeversche Wochenblatt und die Jeverländischen Nachrichten als nunmehr verschmolzenes Blatt die moderne Form des Generalanzeigers ein. So wurden und werden Zeitungen bezeichnet, die sich an breite Bevölkerungsschichten richten, politisch und konfessionell unabhängig sind, die Nachricht gegenüber dem Kommentar, die Unterhaltung gegenüber der Meinungsbildung bevorzugen.

Dafür stand als Name Gerhard Wettermann. Der Schriftleiter war von 1891 bis 1914 für die Redaktion verantwortlich. Danach begannen publizistisch unruhige Zeiten, vier verschiedene Redaktionsleiter in vier Kriegsjahren. Mit Friedrich Lange folge 1919 ein Schriftleiter, der das Blatt weit vor Hitlers „Machtergreifung“ auf stramm nationalsozialistischen Kurs brachte. Hätte die Redaktion bis 1933 noch Alternativen gehabt, so wurde den Schriftleitern vom Zeitpunkt der „Gleichschaltung“ der Medien im NS-Staat an mit „Sprachregelungen“ aus Berlin genau vorgegeben, wie zu berichten und zu kommentieren war.

Als der Krieg 1945 beendet und das Hitlerreich untergegangen war, verschwanden vorübergehend auch die gleichgeschalteten Blätter von der Bildfläche; die Alliierten hatten sie allesamt verboten. Erst mit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 wurde endgültig jene Pressefreiheit erreicht, von der im Jahr 1740 schon jeversche Abiturienten geträumt hatten.

Zu den Errungenschaften der Bundesrepublik gehört neben der äußeren auch die innere Pressefreiheit. Während sich die äußere auf den Staat bezieht, ist unter innerer Pressefreiheit die Freiheit der Redakteure gegenüber dem Verleger oder Herausgeber der Zeitung zu verstehen. Der Verleger legt die grundsätzliche Haltung der Zeitung fest; innerhalb dieser Vorgabe (die zum Beispiel „unabhängig und überparteilich“ lauten kann) ist die Redaktion eigenverantwortlich tätig. Mit der klaren Trennung von Verlags- und Redaktionsleitung wird diese innere Pressefreiheit beim Jeverschen Wochenblatt seit Anfang 1990 gelebt.

Was darf ein Journalist? Diese Frage beantworten heute nicht der Staat oder die Regierung, nicht Verleger oder Anzeigenkunden. Sie beantwortet sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, aus den Landespressegesetzen, vor allem aber aus dem Pressekodex des Deutschen Presserates, der als ethische Leitlinie so etwas wie die „zehn Gebote“ des Journalismus formuliert hat. Über allem aber steht das Grundgesetz mit seinem Artikel 5. Er lautet: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

(Dieser Beitrag erschien zuerst im Jeverschen Wochenblatt und Anzeiger für Harlingerland, Ausgaben vom 21. Januar 2020)