Tag 102 | Kranke Akten

Im Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven hat die Oldenburgische Landschaft jetzt den Band „Vernichtung lebensunwerter Soldaten? Die nationalsozialistische Militärpsychiatrie in der deutschen Kriegsmarine – das Beispiel Wilhelmshaven“ von Roman Behrens vorgestellt. Erschienen ist das Buch als Band 76 der von der Oldenburgischen Landschaft herausgegebenen Reihe Oldenburger Studien.

Das heutige Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch, während des Weltkrieges Militärlazarett. Titelseite des Buches von Roman Behrens. Isensee-Verlag.
Das heutige Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch, während des Weltkrieges Militärlazarett. Titelseite des Buches von Roman Behrens. Isensee-Verlag.

Psychische Erkrankungen von Soldaten wurden in der NS-Zeit durchweg nicht im Zusammenhang mit deren Kriegserlebnissen gesehen, sondern auf Charaktermängel der Betroffenen zurückgeführt. Die jetzt vorgestellte Veröffentlichung beruht auf einer Auswertung von vier Krankenakten von Marinesoldaten, die im Zweiten Weltkrieg in den Marinelazaretten Wilhelmshaven und Sanderbusch und in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen wegen psychischer Erkrankungen behandelt worden sind. Die als Masterarbeit an der Universität Oldenburg entstandene Untersuchung umreißt anhand der vier Fallbeispiele den Umgang mit psychisch erkrankten Marinesoldaten. Außerdem gibt sie Belege für die Verstrickung von Kriegsmarine und Marinesanitätsdienst in die Sterilisationsverfahren und den Krankenmord in der NS-Zeit.

„Roman Behrens hat mit seiner Studie eine wichtige Anregung für die Wissenschaft gegeben, auf einem bisher nicht untersuchten Gebiet intensiv zu forschen“, charakterisierte Landschaftspräsident Thomas Kossendey die Arbeit.

Roman Behrens, Vernichtung lebensunwerter Soldaten? Die nationalsozialistische Militärpsychiatrie in der deutschen Kriegsmarine – das Beispiel Wilhelmshaven, Oldenburger Studien Band 76, herausgegeben durch die Oldenburgische Landschaft, 90 S., Isensee Verlag, Oldenburg 2014, lSBN 978-3-7308-1009-5, Preis: 19,80 €.

Trauer um Hans-Joachim Walde

Ein Leben voller Höchstleistungen in Sport und Medizin

Von Helmut Burlager

Plötzlicher Tod im Alter von 70 Jahren. Dr. Hans-Joachim Walde starb am 18. April.  Foto (c): Helmut Burlager
Plötzlicher Tod im Alter von 70 Jahren. Dr. Hans-Joachim Walde starb am 18. April.
Foto (c): Helmut Burlager

Jever. Vom Ruhestand wollte er nicht viel wissen. Nachdem er 2007 offiziell in Rente verabschiedet worden war, stand der nun ehemalige Chefarzt Dr. Hans-Joachim Walde trotzdem weiter regelmäßig in Sanderbusch am OP-Tisch und operierte Schultern. Er forschte und publizierte, entwickelte neue Operationstechniken, behandelte Patienten bei der Wangerland-Reha. Am 18. April 2013 ist der bekannte Mediziner ganz plötzlich und unerwartet gestorben, auf dem Weg zur Arbeit in Horumersiel. Ein herber Verlust nicht nur für die medizinische Welt, sondern auch für den Sport. „Achim“ Walde zählt zu den erfolgreichsten Athleten, die je in Friesland zu Hause waren. Er hat als Zehnkämpfer dreimal an Olympischen Spielen teilgenommen, hat eine Silber- und eine Bronzemedaille geholt.

1984 ist Hans-Joachim Walde nach Jever gekommen, als neuer Leitender Abteilungsarzt am Nordwest-Krankenhaus. Geboren 1942 in Gläsersdorf in Schlesien, war er in der Nähe von Walsrode aufgewachsen. Als er mit 16 bei den Bundesjugendspielen sechs Meter weit sprang, stellten Mitschüler ihn dem Trainer des TSV Dorfmark, Hasso Kornemann, vor. Der motivierte ihn zu trainieren. 1960 sprang Walde mit einer Höhe von 1,93 Meter deutschen Jugendrekord. Der bekannte Zehnkämpfer Friedel Schirmer nahm sich des Talents an.

Achim Walde begann sein Medizinstudium in Mainz, wo er sofort dem USC beitrat. Als Deutscher Hochschulmeister flog er 1962 mit zur Studentenweltmeisterschaft nach Brasilien, holte den fünften Platz im Weitsprung. 1964 wurde Walde für die Olympischen Spiele in Tokio nominiert. Dort gewann erim Zehnkampf die Bronzemedaille. 1968 folgte in Mexiko die Silbermedaille. Die dritte Olympiateilnahme, 1972 in München, endete mit einer Verletzung – mit 30 war die Karriere des Zehnkämpfers vorbei.

Da hatte die neue schon begonnen. Nach dem Examen hatte Walde an einem Bundeswehrkrankenhaus erste Erfahrungen gesammelt, dann kehrte er an die Uniklinik Mainz zurück, machte sich einen Namen in der  Handchirurgie, Endoprothetik, Sportchirurgie und Arthroskopie. Ihn interessierte alles, was es an technisch neuen Möglichkeiten gab.

1984 kam dann der Ruf nach Sanderbusch, Dr. Hans-Joachim Walde zog mit seiner Frau Gabriele und den Söhnen Henrik, Tim und Jan nach Jever. Zwei Jahre später setzte Walde durch, dass die Unfallchirurgie eine selbstständige Abteilung des Nordwest-Krankenhauses wurde, er selbst spezialisierte sich auf das Thema Schulter. Unzähligen Menschen hat er geholfen, wurde von seinen Patienten nicht nur als Fachmann, sondern auch als  Mensch geschätzt, ein ruhiger, besonnener Arzt ohne Allüren.

23 Jahre lang hat er das Nordwest-Krankenhaus geprägt und medizinisch vorangebracht, sich selbst und andere zu Höchstleistungen angespornt. „Das muss doch irgendwie besser gehen“, war das Motto, das ihn umtrieb, im Beruf wie im Sport. Bis zur Ziellinie, die viel zu plötzlich da war.


Ein ausführliches Porträt Hans-Joachim Waldes erschien zum 70. Geburtstag hier auf Friesenblog

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