Bei Anruf fort

Ein Landrat, ein Chefredakteur, ein Telefon und ein Versuch, der nicht strafbar ist

Von Helmut Burlager

Frage: Was hat eigentlich ein Landrat in Ostfriesland zu befürchten, der versucht, einen ihm missliebigen Journalisten per Anruf beim Chefredakteur aus seinem Berichterstattungsgebiet zu entfernen? Antwort: Gar nichts. Was Christian Wulff noch auf die schiefe Ebene brachte, auf der er bis zu seinem unrühmlichen Amtsverzicht dahinschlitterte – der Anruf bei Bild-Chef Kai Diekmann – dürfte für den Chef im Auricher Kreishaus, Harm-Uwe Weber, folgenlos bleiben. Und zwar, weil die örtlichen Medien, selbst die betroffene Zeitung, den Vorgang anscheinend gar nicht weiter bemerkenswert finden.

Was ist passiert? Im Zusammenhang mit einer Datenpanne, die ein Skandal für sich ist, haben Politiker anderer Parteien dienstliche SMS des Landrats auf ihren I-Pads mitlesen können. So wurde der Inhalt einer SMS bekannt, den Weber an den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Auricher Kreistag, Jochen Beekhuis, geschickt hat, und in dem er diesem mitteilte, er habe beim Chefredakteur der örtlichen Zeitung, der „Ostfriesischen Nachrichten“ interveniert und erreicht, dass dieser den Redakteur aus der Berichterstattung über den Kreistag zurückziehen werde.

So stellt es der Landesverband Niedersachsen des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in einer Pressemitteilung dar, auf die es prompt eine Gegendarstellung der Ostfriesischen Nachrichten gab. Chefredakteur Ralf Klöker, Mitglied der Geschäftsführung und verantwortlicher Chefredakteur bei den Ostfriesischen Nachrichten GmbH, habe „weder gegenüber Landrat Harm-Uwe Weber noch gegenüber irgendeinem Dritten zugesagt, einen Redakteur aus der Berichterstattung zurückzuziehen. Der verantwortliche Redakteur für die Berichterstattung über den Landkreis Aurich ist auch nicht zurückgezogen worden“, heißt es darin. Im eigenen Blatt stellte die ON-Redaktion es genauso dar. Der Versuch des Landrats sei „erfolglos“ gewesen.

Alles in Ordnung also in Aurich? Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Der Landrat hat, wie die ON klar stellen, mit seiner Intervention keinen Erfolg gehabt. Es gab ihn also, den Versuch. Mit keinem kritischen Wort aber würdigt das Blatt, noch würdigen es andere Blätter, dass der Landrat offensichtlich mit dem Ziel zum Telefonhörer griff, einen missliebigen Redakteur aus der Kreistagspolitik herauszukicken. Hallo?

Nur zur Erinnerung: Erfolglos war auch der Versuch von Christian Wulff, eine Veröffentlichung der „Bild“-Zeitung über die Umstände seines Hauskaufs per Anruf beim Chefredakteur zu verhindern. Doch allein der Versuch verursachte einen medialen Aufschrei, welcher der Anfang vom Ende des Bundespräsidenten war. Nun muss der Landrat vielleicht nicht gleich zurücktreten, peinlich genug ist die Sache ja sowieso. Dass der Politiker in den Medien so gänzlich ungeschoren davonkommt, das ist das eigentlich Überraschende an dieser Posse. Es ist wohl so: In Ostfriesland regt man sich einfach nicht so leicht auf wie in Berlin.


Das Medienmagazin Zapp berichtete am 14. August über die Affäre: Zum Beitrag


Der Landkreis Aurich hat inzwischen eine Presseerklärung zum Thema abgegeben. Darin heißt es unter anderem:

Entschieden weist der Landrat Behauptungen zurück, er habe versucht, Einfluss auf die Berichterstattung der Ostfriesischen Nachrichten zu konkreten Sachverhalten zu nehmen. „Nach meinem Eindruck war aber aufgrund der inneren Einstellung eines einzelnen Journalisten der Ostfriesischen Nachrichten eine objektive Berichterstattung über Angelegenheiten des Landkreises nicht in jedem Fall gewährleistet“, erklärt Weber. Er habe es daher als sein gutes Recht und auch als Verpflichtung angesehen, auf eine solche sachliche und faire Berichterstattung hinzuwirken. Daher habe er, wie es vom Chefredakteur der Ostfriesischen Nachrichten, Ralf Klöker, ausgedrückt wurde, ein „Krisengespräch“ mit ihm geführt. Weitere persönliche Gespräche habe es in dieser Angelegenheit, wie es auch Herr Klöker schon erklärt habe, nicht gegeben.

Dass er sich mit der Chefredaktion der Ostfriesischen Nachrichten in Verbindung gesetzt habe, sei auch in der Politik seit langem bekannt gewesen. Wenn die Grünen dieses Thema nun mit der aktuellen Datenproblematik verquicken, sei dies nur mit dem Bundestagswahlkampf zu erklären.

Die ganze Pressemitteilung hier beim NDR

5 Kommentare zu „Bei Anruf fort

  1. Im Kleinen, wie im Großen… Elend, wohin das Auge blickt. Ich weiß schon gar nicht mehr, worüber ich mich zuerst aufregen soll. Oder anders gesagt (Verzeihung): Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich täglich kotzen möchte.

  2. Der Wulf im Zeitungspelz

    Geschätzter Kollege, schon Akt 2, das „Auricher Sommertheater“, von Dienstag, 6. August 2013, Seite 7, im Ostfriesischen Kurier gelesen? Das schreit nach einem zweiten Kommentar (von dir). Der Wulf sitzt eben auch im Zeitungspelz.

  3. Danke für den Hinweis, Reinhard. Sehr interessante Sichtweise auf den Kollegen, ändert aber nicht wirklich was an der Feststellung, dass mit dem Thema merkwürdig umgegangen wird, oder nicht?

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